Mittwoch, 30. Juni 2010

Fernseher

Ich habe mir einen neuen Fernseher gekauft.
Jaaa…ich weiß, ich jammere hier jede Woche rum, wie hart das Leben als Bachelor ist und wie wenig Zeit für alles andere bleibt. Aber, aber….aber….es ist doch gerade Fußball-WM und außerdem – der alte Fernseher hat genug Weltmeisterschaften miterleben dürfen. Und gefühlt noch die Umstellung von Schwarz-Weiß auf Buntbild miterlebt. Ohne natürlich bei diesen neumodischen Mätzchen mitzumachen.

Nun bin ich allerdings kurz davor, von der Gesellschaft endgültig ausgegrenzt zu werden.

Aber der Reihe nach, sozusagen die Chronologie der Ereignisse:

Foto: gunnsteinlye (CC-by-nc-sa-2.0)
08:32 Uhr:
Ich schaue erschöpft unter einem Berg von Büchern für meine nächste Hausarbeit hervor. Wie lange habe ich geschlafen? Um 5 habe ich definitiv noch einen letzten Kaffee aufgebrüht, was den leicht verkokelten Geruch in der Wohnung erklären würde.

08:47 Uhr:
Ich KANN nicht weitermachen, brauche Abwechslung, ein Stündchen in die Stadt. (Schon hier schlägt das Bachelor-Gewissen knallhart zu, doch noch kann ich mich wehren. Muss wohl an der Überdosis Koffein liegen.)

09:17 Uhr:
Ich stehe in einem großen Elektronikfachmarkt und da steht er: ein wunderschöner flacher Bildschirm, nettes Bild und, wenn ich die Reste der letzten fünf Hiwi-Gehälter zusammenkratze, sogar erschwinglich – Wir sind im Geschäft.

09:45 Uhr:
Auf dem Rückweg zu meiner Wohnung begegne ich einer Bekannten. „DU HASST EINEN FERNSEHER?“, ruft sie erstaunt. Ein ähnlicher Ausdruck der Entrüstung wird in der Regel nur Kriegsverbrechern oder Kinderschändern entgegengebracht.

11:58 Uhr:
Nach einiger Ablenkung meldet sich mein Gewissen zurück. „Du bist Bachelor, schämst du dich nicht, überhaupt an Freizeit zu denken?“ Ich denke mir, dass sich die Stimme in meinem Kopf wohl wegen der Koffeinvergiftung so scheiße anhört.

15:37 Uhr:
Der erste Drohbrief liegt in meinem Briefkasten. Ist das Pulver, das beim Öffnen herausfällt, etwa Anthrax? Ausgeschnittener Zeitungsbuchstaben verkünden: „AUF ARMER DURCHSCHNITTSSTUDENT MACHEN UND DANN EINEN FERNSEHER KAUFEN!“ Mir geht es jetzt richtig schlecht.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
19:47 Uhr:
Ich kann nicht anders – kurz vor Geschäftsschluss bringe ich das Gerät zurück. Der südländisch aussehende Verkäufer schaut mich verdutzt an. Auf die Begründung, ich sei ein Opfer des Bildungssystems entgegnet er nur: „Alter, du bis escht Opfer“.

20:26 Uhr:
Erschöpft erreiche ich meine Wohnung. Vorher muss ich aber kurz das in den Lack meines Autos gekratzte „JUDAS“ begutachten. Gerade kommt meine Bekannte um die Ecke.
„WIE, DU HAST EIN AUTO?!“

Mittwoch, 23. Juni 2010

Giffäwäis

Jede Woche dasselbe Bild: Breit grinsende Damen (sie sind jung und brauchen das Geld) verteilen in der Mensa lustige Tüten, voll bis oben hin mit lustigen Präsenten – Neudeutsch: "Giffäwäis".

Diverse Firmen wollen damit studentische Neukunden locken, soweit schön und gut. Die Frage ist allerdings: Haben die überhaupt eine Ahnung von ihrer Zielgruppe?

Schauen wir uns doch den Tüteninhalt mal etwas genauer an – in diesem Fall das Modell für den Mann (die Frauenversion wollte man mir trotz diverser Überzeugungsversuche und Verkleidungen leider nicht aushändigen):

1. Jede Menge Stoff zum Lesen.
Liebe Studenten-, Männer- und Was-auch-immer-Magazinmacher: Ein Großteil der Leute, die diese Tüte abgreifen, sind Bachelor-Studenten. Und die haben schon so viel zu lesen, dass sie weder die Zeit, noch die Lust haben, sich auch noch mit euern journalistischen Ergüssen herumzuschlagen.

2. Ein WM-Spielplan.
Hübsch. Bräuchte der Bachelor neben Klausuren und Hausarbeiten nur noch Zeit, die WM auch gucken zu können.

3. Eine Flasche Bier.
Auch hier bräuchte der Bachelor Zeit, die er nicht hat. Weckt außerdem wehleidige Erinnerung, an die Zeit, als man sich noch mit Freunden auf ein Bier treffen konnte. Auch ungut.

4. Kondome.
Jetzt wird's ganz utopisch...

Fazit: Das Werbepotenzial all dieser Produkte ist bei der Zielgruppe Bachelor äußerst gering.

Darum der Vorschlag: Statt Männer- und Frauentüten, bitte einfach zwischen Nicht-Bachelor und Bachelor-Tüten unterscheiden. In die einen kommen all die schönen Sachen, in die anderen die Sachen, mit denen auch der Bachelor auch wirklich etwas anfangen kann.

Wie wäre es z.B. mit Kaffee extra stark, jede Menge Druckerpapier, tränensichere Taschentücher, Valium und Ritalin?

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Von den beiden Letztgenannten natürlich nur so viel, dass es gerade so süchtig macht - nicht aber mehr.

Giffäwäis sollen ja schließlich den Kunden zum Kauf anregen und nicht gleich schon alle Bedürfnisse befriedigen.

Sonntag, 6. Juni 2010

Sesamstraße

Deutsche Studenten jammern dieser Tage von früh bis spät: Zu viel Stress, zu viel Arbeit, vieeeeeel zu wenig Freizeit.

Foto: heraldpost (CC-by-nc-2.0)
Wenn es aber nun darum geht, dem Ärger über den Bachelor auf der Straße Luft zu machen – dann ist der deutsche Student auf einmal ganz ruhig.
Die da oben machen ja auch nur ihren Job. Und der Deutsche respektiert das nun mal voll und ganz. Enormer Leistungsdruck hin oder her.
Aber keine Angst liebe Studenten – ihr könnt nichts dafür!
Medien- und Erziehungswissenschaftler haben jetzt herausgefunden: Bereits in frühester Kindheit bekommen die Deutschen die Ansicht ins Gehirn implementiert, dass das Leistungsdrucksystem das einzig Wahre ist.
Das Instrument dieser Machenschaften:

Die Sesamstraße.

Hä?
Ja! Sie haben richtig gelesen.
Können Sie sich etwa nicht mehr an die Titelmelodie erinnern?
„Wieso, weshalb warum – wer nicht fragt bleibt dumm“
Genau! Wer nicht fragt bleibt dumm. Bekommt Hartz IV, landet unter der Brücke und irgendwann bei DSDS. Also immer schön fragen und lernen – am besten den Stoff von zehn Semestern in sechs.
Sollte der Deutsche dann aber doch mal einen Moment daran denken, was dieser ganze Leistungsdruck soll, schlägt sein jahrelang gewaschenes Gehirn gnadenlos zu:
„Wer nicht fragt bleibt dumm“
Wer sich einmal die Mühe macht, und die Titelmelodie des englischsprachigen Originals anschaut, dem wird sofort etwas auffallen:
„Come and play, Everything's A-OK, Friendly neighbors there, That's where we meet, Can you tell me how to get, How to get to Sesame Street”
Das Wetter ist toll, die Leute fröhlich, gehen wir raus und spielen – denn es gibt sowas wie Freizeit!
Was ist da mit dem:
„Wer nicht fragt bleibt dumm“?
Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Also bitte…Leistungsdruck? Erst mal Leben und Freizeit genießen. Und wenn die ernsthaft Gefahr ist, gehen wir auch mal auf die Straße – vielleicht nicht in die von Ernie, Bert oder Elmo – sondern eher auf die der Leute, die uns dieses System eingebrockt haben.

Der deutsche Student kann das nicht – denn er hat gelernt, immer schön zu lernen. Und das bloß nicht zu hinterfragen. In diesem Sinne: Der, die, das, wer, wie was….