Donnerstag, 29. Juli 2010

Ausgelutscht

Neulich habe ich eine E-Mail bekommen.
„Lieber Bachelor,
deine Probleme sind ja alle schön und gut. Aber Fernsehen, Zeitungen, Internet – alles berichtet über die Bolognareform. Und du redest jede Woche im Radio darüber. Meinst du nicht, das Thema wäre langsam ausgelutscht?
Liebe Grüße,
M. aus M.“
Ob ich das Thema nicht ausgelutscht finde?
Nein.
Ausgelutscht sind für mich Dinge, über die immer und immer wieder geredet wird, wir aber nicht ändern können, auch wenn wir es noch so sehr wollen. Das Wetter. Der Tod. Paris Hiltons Medienpräsenz. Und natürlich Lollistengel, an denen kein Lolli mehr dran ist. DAS ist ausgelutscht.
Dinge, die man ändern kann, wenn man darüber redet, können gar nicht ausgelutscht sein. Und an der Bolognareform kann man noch so einiges ändern. Auch wenn das der ein oder andere Politiker nicht wahrhaben will. (Hatte ich eigentlich Politiker in der Liste von Dingen, die man wohl niemals ändern kann, auch wenn man es noch so sehr will?)

Damit das Thema Bachelor ausgelutscht ist, müssen erst mal ne Menge Dinge passieren.
Wenn ich mal nicht mehr morgens in die Bibliothek komme und wegen all der tiefen Augenringe um mich herum meine, ich wäre auf einer Horst-Tappert-Revival-Veranstaltung.
Wenn ich mal eine Vorlesung erlebe, in der jemand eine Frage aus Interesse eine Frage stellt (und wenn es nur nach der Telefonnummer der Sexbomben-Dozentin ist) und nicht, weil er Angst wegen der Klausur hat.
Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Wenn mein Kumpel Bernie, B.A. Byzantinistik, mit seinen 35 Jahren endlich mal eine Frau findet – ok, ich geb’s zu, schlechtes Beispiel, denn daran trägt der Bachelor nun ausnahmsweise mal keine Schuld.
Wenn Angst, Verzweiflung und Lernstress mal nicht mehr den Uni-Alltag bestimmen.
DANN ist das Thema Bachelor wirklich ausgelutscht.

Bisher sind es nur die Sätze von Leuten, die immer noch steif und fest behaupten, an diesem super System gäbe es keine Verbesserungsmöglichkeiten.

Mittwoch, 21. Juli 2010

Reißverschluss

1891 erfand der US-Amerikaner Whitcomb Judson aus Chicago den Reißverschluss. Eine absolute Weltsensation. Hosen, die bisher nur mühsam mit Knöpfen, Schnüren oder Bändern zusammengehalten wurden, konnten von nun an in null-komma-nix geschlossen werden. Ein Fortschritt in der Menschheitsgeschichte, der in seinem Einfluss für ganze Generationen nur noch von der Mondlandung und der Erfindung von Nachmittags-Reality-Soaps übertroffen wurde .

Foto:  [ Tam Nguyen ] (CC-by-nc-sa-2.0)
Mit Erschrecken musste ich allerdings bei meiner letzten Shoppingtour feststellen, dass nahezu alle großen Modegeschäfte fast ausschließlich Hosen mit Knöpfen führen. Was soll dieser technische Rückschritt? Retrowahn vermutlich.
Aber hat irgendjemand die Kunden gefragt?
Nein. Natürlich nicht.

Es gibt nichts nervigeres als eine Hose, bei der man erst mal hunderte von Knöpfen schließen oder aufmachen muss – nicht nur, weil das, wenn es mal schnellgehen muss, im wahrsten Sinne in die Hose gehen kann (quasi die ganz persönliche Apollo-13-Mission.

Moment. Sie fragen sich jetzt sicher: „Warum erzählt der Typ nun schon seit ‘ner geschätzten Ewigkeit von Hosen?“
Gute Frage.
Vermutlich, weil ich mich selbst gerne das lese, was ich schreibe.

Hauptsächlich aber, weil H&M, Esprit und Co. wohl auf der Achse des Bösen direkt neben den Begründern des Bachelor/Master-Systems einzuordnen sind. Was die Tragweite betrifft, allerdings vermutlich weit in deren Schatten.

Das Grundprinzip ist aber dasselbe: wir haben ein super funktionierendes System – Hosen mit Reißverschluss oder eben Diplom- und Magisterstudiengänge – das wir einfach mal so über den Haufen werfen. Natürlich ohne die Leidtragenden zu fragen. Was rauskommt ist etwas, was vielleicht ganz hübsch aussieht, bei genauerem Betrachten aber eigentlich nur Probleme mit sich bringt.

Und warum das Ganze? Keine Ahnung.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Wahrscheinlich, weil die Verantwortlichen einfach Sadisten sind.
Und zitternde, schwitzende, vor der fünften Klausur in drei Tagen nervös vor dem Vorlesungssaal herumlaufende Studenten genauso gerne sehen, wie die Hosenhersteller zitternde und schwitzende Kunden, die verzweifelt vor einer Klotür versuchen, die letzten sieben Knöpfe ihrer Hose aufzubekommen.