Mittwoch, 29. Dezember 2010

We'll tak' ae cup o'kindness yet…

Es war nicht alles schlecht.

Keine Angst, das wird jetzt kein Plädoyer für Autobahnen oder Jugendfreizeitgestaltungsangebote. Ich könnte mich danach ja auch schlecht selber aus dem Studio werfen.
Nein, es war nicht alles schlecht im alten Jahr. Doch in welchem Jahr war schon alles schlecht?
Wir sind Weltmeister geworden – fast.
In Stuttgart haben sie problemlos den Bau eines neuen Bahnhofs durchgesetzt – fast.
Und wieder einmal wurde eine Reform durchgesetzt, die mehr Bildung versprechen soll – fast.

Aber eigentlich habe ich auch gar keine Lust, über das alte Jahr zu reden. Diese leidigen Diskussionen ob Studenten nun faul sind und wenn ja warum nicht, ob das BAföG nun um 3,40 Euro oder um 3,70 Euro erhöht werden soll, oder ob wir nicht nur die Wehrpflicht abschaffen sondern die Unis gleich mit, dann können sie auch nicht überfüllt werden – genug.

Dafür ist auch im nächsten Jahr noch genug Zeit und Gelegenheit. Garantiert.

Stattdessen sollten wir lieber vorausblicken. Denn wie gesagt, es war und ist nicht alles schlecht.
Wir leben in einem Land, in dem jeder immer noch die Chance hat, den Bildungsweg einzuschlagen, den er möchte.
Auch wenn die Studenten jammern, sie hätten kein Geld, würde wohl keiner ohne Weiteres mit dem dreijährigen Kind aus der Sahelzone tauschen.
Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Und selbst unser Studiensystem, an dem es sicherlich viel zu meckern gibt, hat eine ganze Menge gute Seiten. Fragen Sie mal den Austauschstudenten aus Irland, den deutschen Praktikanten in Frankreich oder die Putzfrau in Studentenwohnheimen. Denn nur sechs Semester Bachelorstudium bedeuten schließlich auch, selbst die größte Dreckschleuder ist nach sechs Semestern wieder weg.

Deswegen: An alle treuen Hörer, Leser, an alle stillen und nicht so stillen Verehrer…innen, alle Kritiker –  und sogar an Bernie, B.A. Byzantinistik im 4. Fachsemester: Ein frohes und erfolgreiches neues Jahr!

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Frohe Weihnachten

Foto: wolfsavard (CC-by-2.0)
Freitag, 24. Dezember – Heiligabend.
Der gemeine Bachelor ist auf Heimaturlaub und hat es nach drei Versuchen sogar geschafft, von seiner Familie hereingelassen zu werden. Die Tatsache, dass Haarpflege und Rasur aufgrund von anderen – studienbezogenen – Prioritäten in den letzten Wochen etwas in den Hintergrund hatten treten müssen trug ebenso wenig zu einem schnelleren Gelingen dieses Unterfangens bei wie der Fakt, dass man sich das letzte Mal an den letzten Weihnachten gesehen hat – früher war halt keine Zeit zum Heimkommen.
Doch wie gut, dass der Bachelor schon den neuen Personalausweis beantragt hat und sich so einwandfrei als Sohn, Bruder oder Enkel hat ausweisen können.

Nun ist das traditionelle regionale Heiligabends-„Fest“-Essen (Würstchen und Kartoffelsalat) hinter sich gebracht, Omas alter Plattenspieler leiert zum dritten Mal „Stille Nacht“ (oder ist das „O Tannenbaum“? Opas Asthmaröcheln ist so laut, seitdem die Krankenkasse nur noch das billigste Spray bezahlt) – kurzum: es ist Zeit für die Bescherung. Und Zeit für Ruhe und Besinnlichkeit.

Ohnehin, der gemeine Bachelor hat sich vorgenommen, an diesen drei Tagen nichts, aber auch GARNICHTS für die Uni zu machen. Und ist gewillt, dies knallhart durchzuziehen.

Doch schon als er das erste Päckchen öffnet, tut sich ein Knall.

(Anmerkung des Autors: Die folgenden Ereignisse sind zur Unterstreichung der dramatischen Tragweite in Dramenform verfasst)
Stimme: Hohohohohooooo…
Bachelor: Wer bist du? Der Weihnachtsmann?!
Stimme: Der Weihnachtsman? Hahahaha (lacht) Ich bin der Bachelorteufel.
Bachelor: Der was?
Stimme: Der Bachelorteufel. Und ich bin da, um dich an deine Pflichten zu erinnern. Lernen, lesen, arbeiten, Praktikum machen…!

In diesem Moment hat der Bachelor das Päckchen zugeknallt. Denn schließlich wird er nichts, aber auch GARNICHTS für die Uni machen an diesen drei Tagen. Doch die Freude währt nur kurz.
Bachelorteufel: Hohohoho (lacht). Ich bin überall. ECTS-Punkte, Abschlussnote, Assessment Center…!

Nun bekommt der Bachelor doch ein etwas flaues Gefühl im Magen. Und „Stille Nacht“ klingt auf einmal wie der „Imperial March“.

Bachelor: Aber es ist doch Weihnachten!
Bachelorteufel: Und?
Bachelor: Hau ab! Mir machst du kein schlechtes Gewissen! Ich werde an Weihnachten nichts, aber auch GARNICHTS für die Uni machen! Ich habe auch noch ein Leben!

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Am nächsten Morgen riecht es in der Küche ziemlich streng. Der Weihnachts-Truthahn ist angebrannt.

Weil der gemeine Bachelor über seinem Lehrbuch sitzend doch glatt die Zeit vergessen hat.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Evolution

Ich hasse Schwimmen!

Foto: yeenoghu (CC-by-nc-sa-2.0)
Wahrscheinlich hat sich das vor ein paar hundert Millionen Jahren auch ein Fisch gedacht – und ist aus dem Wasser gestiegen. Seine Nachfahren legten sich dann im Laufe der Zeit anständige Füße zu, wurden zum Affen und irgendwann zum Menschen. Evolution halt. Weiterentwicklung. Fortschritt. Gibt’s fast überall…und läuft eigentlich immer in eine positive Richtung. Außer bei TV-Formaten vielleicht.

Auch was Bildung betrifft, lief es eigentlich bisher ganz gut: weltweite Alphabetisierung, Säkularisierung... Und bevor sich die Mainzer irgendwelchen lächerlichen Frühjahrsbeschäftigungen und noch lächerlicheren Fußballclubs zugewendet haben, haben sie sogar den Buchdruck erfunden. Also Gutenberg.
Wie, der ist gerade mit seiner Frau in Afghanistan?
Achso…sehen Sie, genau das ist das Problem: Bildung.

Wir schaffen es nämlich heutzutage ganz gut, den evolutionären Weg der Bildung umzukehren. Nicht nur durch seltsame Studiensysteme, die nach italienischen Provinzstädten benannt sind. Nein – wir schaffen es sogar, Leuten in nur sechs Semestern, eine ganze Menge Wissen wieder wegzunehmen.

Hauptseminar Bachelorstudiengang, 5. Semester: „Ich habe natürlich nicht die Texte ausgesucht, die ich gewählt hätte, wenn wir hier nur fortgeschrittene B.A.-Studenten wären“, meint die Dozentin. „Schließlich sitzen hier ja auch Nebenfächler und Lehramtsstudenten.“ Komisch. Im Proseminar hat das noch niemanden gestört.
Hallo? Es ist ja nicht so, dass ich in ein paar Monaten eine Bachelorarbeit abzugeben hätte. Und ich dazu vielleicht ein bisschen Wissen bräuchte. Der wie der Fisch vor ein paar Millionen Jahren dreinblickende Lehrämtler da hinten hat es nicht so eilig. Ich schon.

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Schuld an dem Ganzen sind übrigens Prüfungsordnungen und  Modulhandbücher, die in etwa so aussehen wie das Durcheinander auf der Erde, dem der Fisch begegnet ist, als er aus dem Wasser kletterte. „Exportmodul A wird übertragen in Aufbaumodul 2b, Basismodul 1…“ So ähnlich hat sich auch die Bauanleitung meines letzten Kleiderschranks gelesen. Mit ähnlichem vernichtendem Ergebnis: Hauptseminare sind leichter als Proseminare, Bachelor wissen nicht, was sie wissen sollen – und Lehrämtler wissen überhaupt nichts mehr.

Was kommt als nächstes? Zurückentwicklung zum Affen in sechs Semestern? Und wem das nicht reicht, der kann das Ganze im Masterstudium bis zum Fisch durchziehen?

Ich hasse Schwimmen!

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Unbezahlbar?

Das Versprechen „Bildung für alle“ ist spätestens seit der Einführung von Studiengebühren eine äußerst fragwürdige Sache. Wer nun aber denkt, wenn er einmal pro Semester ein paar hundert Euro abdrückt, kommt er erfolgreich durchs Studium, irrt gewaltig.

Eine große internationale Kreditkartenorganisation lehrt uns schließlich in ihren Werbespots, dass man eigentlich alles kaufen kann. Außer ein paar unbedeutenden Dingen wie Freunde, Liebe oder Familie. Die sind angeblich unbezahlbar. Selbst das gilt es aber zu bezweifeln. Fragen Sie mal den ein oder anderen Thailand-Urlauber.

Fest steht jedenfalls, dass es diese Werbespots in allen möglichen Facetten gibt: Job, Party, Fußball. Warum eigentlich noch nicht speziell auf Studenten zugeschnitten? Weil Studenten kein Geld haben? Quatsch. Denn Geld scheint gerade für ein erfolgreiches Studium eine immer größere Rolle zu spielen. Könnte man zumindest meinen.

Der Spot würde sich dann wohl in etwa so anhören (Natürlich müsste das Ganze noch mit dem passenden Schöne-Heile-Welt-Gedudel unterlegt werden):

Verwaltungsgebühren: 100 Euro

Studiengebühren: 500 Euro

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Den Dozenten vor der Klausurenphase  ins Ferienhaus auf Sylt einladen: 1.000

Großzügige Spende an Universitätsbibliothek: 3.000 Euro

Prozesskosten für richterliche NC-Umgehung: 10.000 Euro 

Dumm wie Stroh und trotzdem einen Doktortitel: 30.000 Złoty.

Angeblich gibt es Dinge, die kann man nicht kaufen…für alles andere gibt es Mami und Papi. Und ihre Kreditkarte.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Weiße Schafe

Eine alte saarländische Lebensweise besagt: „Mer holles, damets net fortkummt“. Das heißt übersetzt: „Wir nehmens mit, damit es niemand klauen kann.“ Und das bedeutet: Wenn ich im Baumarkt arbeite, dann richte ich gefälligst auch mein Haus mit Baustoffen aus diesem Baumarkt aus – natürlich nach Feierabend und ohne dafür zu bezahlen. Ich arbeite ja da.
Trotzdem käme wohl niemand auf die Idee, deswegen jetzt zu sagen: „Alle Saarländer klauen“ - selbst ich als Rheinland-Pfälzer nicht.

 Ähnliches gilt für all diejenigen, die im Monat zehnmal wegen „Krankheit“ im Betrieb fehlen. Deswegen sind ja auch nicht gleich alle Arbeitnehmer  Blaumacher. Es gibt zwar schwarze Schafe...aber das sind Ausnahmen.

Bei Studenten ist das anders: da scheint es unter all den schwarzen Schafen nur ein paar weiße zu geben. Schenkt man zumindest gewissen Medien Glauben.

Nun habe ich weder was gegen schwarze Schafe, noch gegen Multikultiherden...aber: warum werden die schwarzen Schafe unter den Studenten gleich als Regel verschrien? Klar, natürlich gibt es Studenten, die nichts tun, nur das BAföG abgrasen und sich einen feuchten Dreck um ihre Zukunft kümmern – aber das sind Ausnahmen. Wieso reicht das, um von „Bachelorlüge“, „faulen Studenten“ und sonst was zu reden?

Der normale Student studiert nicht nur seine 15 bis 30 Stunden die Woche, er muss auch Sitzungen vor und nachbereiten und hat daneben noch einen Job. Denn das BAföG reicht ja hinten und vorne nicht. Dass ein Student dann ja immer noch fünf Monate Semesterferien habe, ist eine bloße Lüge. Diese „Ferien“ heißen sogar offiziell vorlesungsfreie Zeit – und sind nur für die schwarzen Schafe wirklich Ferien. Die weißen Schafe machen in dieser Zeit Praktika, um später eine Chance im Leben zu haben, oder  schreiben Hausarbeiten...oder...oder...oder…

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Nicht zu vergessen der psychische Druck: Selbst wenn der Student abends daheim auf der Couch liegt, schweben über ihm Abgabetermine, Zukunftsängste und drohende Klausuren.

Der 38-Stunden-Angestellte hat diesen Stress nicht.

Es sei denn, er nagelt abends noch die Bretter aus seinem Baumarkt daheim an die Wände.