Mittwoch, 26. Januar 2011

Gaslampen

Die Stadt Mannheim spielt mit dem Gedanken, die Gaslaternen der Stadt gegen elektronische auszutauschen.
Nein, das ist keine Meldung aus dem Jahr 1920, sondern von heute. Die Stadt Mannheim betreibt tatsächlich noch über 380 Straßenlaternen, die Nacht für Nacht mit Gas und einer echten Flamme zum Leuchten gebracht werden. Und das verbraucht ungefähr sechsmal so viel CO2 wie heutige Elektrolaternen. Deswegen sollen die bösen Gaslampen jetzt auch weg. Verständlich. Grüne Städte kommen einfach besser an.

Nun aber gibt es enormen Protest der Anwohner. Das historische Erbe der Stadt werde mit Füßen getreten, lese ich den Kommentar eines erbosten Anwohners in einer Mannheimer morgendlichen Tageszeitung. CO2? Pff. Kann man doch überall sonst auf dieser Welt einsparen – aber doch nicht in meiner Straße. Wo die schönen Gaslampen flackern.

Menschen, die sich für alt Angestammtes vehement und entschieden einsetzen? Schön, dass es so etwas noch gibt. Wutbürger auf Neudeutsch. Nur, dass die in Mannheim nicht gleich mit Tränengas und Wasserwerfern beschossen werden. Noch nicht.

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gibt es auf www.radioaktiv.org
Nur was mir jetzt noch einer erklären muss: Was genau ist der Unterschied zwischen Gaslaternen und Diplom- oder Magisterstudiengängen? Außer, dass das eine so schön flackert? Für die Gaslaternen wird sich eingesetzt, es wird debattiert und irgendwann ketten sich wahrscheinlich Horden von Feudenheimern an die letzte verbliebene Gaslaterne ihres Viertels. Diplomstudiengänge sind doch historisch gesehen ein mindestens genauso wichtiges Erbe. Und es gibt noch ein kleines, wenn auch unbedeutendes Detail: Im Gegensatz zu Gaslaternen haben Diplomstudiengänge heutzutage immer noch einen tieferen Sinn.

Studenten, die sich an Diplomstudiengänge ketten? Undenkbar. Und das nicht nur, weil Diplomstudiengänge physisch gesehen schwerer greifbar sind als eine Gaslaterne.

►Einschub: AdLeB im Fokus des Mannheimer Morgens

Auf der Hochschulseite des Mannheimer Morgens ist heute ein Artikel über die Serie "Aus dem Leben eines Bachelors" erschienen. Die digitale Version gibt es auf dieser Website zum Nachlesen.
Mannheimer Morgen vom 26. Januar 2011


Mittwoch, 19. Januar 2011

Strange sein

Stranger in a Strange Land.
Dieser Satz steht schon in der Bibel, Leon Russel hat ihn besungen und Robert A. Heinlein hat ein Buch daraus gemacht. Das war übrigens 1961 ein echter Bestseller. Vielleicht, weil sich die Menschen in Zeiten von aufkeimender Hippie- und Subkultur wunderbar mit der Geschichte eines Menschen, der von Marsianern auf dem Mars aufgezogen wird, als junger Mann auf die Erde zurückkommt und sich dann ziemlich „strange“ vorkommt, wunderbar identifizieren konnten.

Foto: sunnybille (CC-by-nc-sa-2.0)
Wie ein Fremder in einer fremden Welt kommt man sich heutzutage aber immer noch vor. In der fremden Welt der Bildungspolitik zum Beispiel. Die liegt literarisch ausgedrückt irgendwo zwischen Heinlein, E.T.A. Hoffmann und Kafka. Science Fiction sind die Vorschläge, gruselig das Ergebnis und alles drumherum ist einfach nur...kafkaesk.

Allein die Figuren sind...nunja...strange halt. Picken wir doch mal ganz zufällig einen Akteur raus ...die Wirtschaft zum Beispiel. Zu Diplomzeiten schrie die kollektiv auf: Viel zu lange Studienzeiten, viel zu viel unnötiger Stoff. Also drängte die Wirtschaft massiv auf stark verkürzte Studiengänge. Wie wär's mit sechs Semestern? Und weil wir in Deutschland leben und immer brav auf unsere Wirtschaft hören, haben wir trotz Aufschreien von Studien und Hochschulvertretern ein sechssemestriges System eingeführt.

Bäm.

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gibt es auf www.radioaktiv.org
Aber die deutsche Wirtschaft wäre nicht die deutsche Wirtschaft, wenn nicht die gleichen Leute, die schon damals aufgeschrien haben, jetzt nicht schon wieder aufschreien würden. Denn auf einmal sind Bachelorstudiengänge blöd. Die Bachelor wissen viel zu wenig, haben viel zu wenig Praxiserfahrung. Also kommt die innovativste Idee des zugegeben noch jungen Jahrhunderts:
„Wir brauchen mindestens acht Semester im Bachelor!“
Und auf einmal scheint jeder zuzuhören: Politik, Medien...

Es ist ja nicht so, dass Studenten das Gleiche schon seit Jahren fordern. Josek K. Und Gregor Samsa lassen grüßen.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Relikte

Immer, wenn der große Schnee vorbei ist, und ich meinen dicksten Mantel in den Schrank hänge, kommen dabei die interessantesten Dinge zum Vorschein. Denn Manteltaschen sind groß und über den Winter kann sich darin jede Menge unnützes Zeug ansammeln. Alte Kassenzettel, Überraschungseierspielzeug – und Uni-Scheine.

Foto:ndj5 (CC-by-nc-2.0)
Scheine? Ja, stimmt, die gabs ja auch mal. Relikte aus längst vergangenen Zeiten, die spätestens seit der Einführung der elektronischen Notenübermittlung der Vergangenheit angehören sollten. (Außer bei den Lehramtsstudenten. Aber die haben wahrscheinlich noch nicht gelernt, wie man Computer bedient.) Bei allen anderen Studiengängen bringen Scheine aber wie gesagt nicht mehr wirklich viel. Trotzdem werden sie immer noch gerne verteilt. Am liebsten von Philologen, habe ich mir sagen lassen. Wie viele Quadratkilometer Regenwald durch diese Zettelwirtschaft schon verloren gingen, will ich lieber gar nicht wissen

Aber das Schöne am deutschen Uni-System ist nun mal, dass man an liebgewordenen Traditionen gerne festhält – egal ob sie überhaupt noch sinnvoll sind oder nicht. „Das war schon immer so und das wird auch weiter so gemacht werden.“ Diese Aussagen stammen dann meistens auch von Relikten. Allerdings sind diese eher im menschlichen Bereich anzusiedeln.
Relikte aus Fleisch und Blut quasi.

Doch Relikte aus längst vergangenen Tagen sind nicht nur in verstaubten Uni-Hinterzimmern anzufinden, tragen eine Fliege um den Hals, ein Monokel am Auge und verlangen von Studenten, dass man sie in der zweiten Person Plural anspricht – nein, auch in den ach so modernen Naturwissenschaften findet man massig Prähistorisches. 
Und ich spreche jetzt nicht von archäologischer Biologie.

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Beispiel Mathematik: In den alten Studiengängen war es Gang und Gäbe, dass eine 3.0 die bestmögliche Note war, die man erreichen konnte. Eine 4 war absolut ausreichend. Deswegen war man nicht blöd im Kopp oder so. Das ist heute immer noch so. Mit dem klitzekleinen Unterschied, dass im Bachelor diese Noten oftmals schon in die Endnote miteinfließen. Zwar nur zu zwei Prozent oder so, aber 10 Vieren à 2 Prozent läppern sich zusammen. 
Dumm gelaufen. Mal wieder.

Aber vielleicht sollte man diese Tatsache den Verantwortlichen einfach mal mitteilen. Neuigkeiten erreichen die eingestaubten Hinterzimmer von Universitäten vielleicht einfach nicht so schnell.

Mittwoch, 5. Januar 2011

Cineasmus

Foto: m4tik (CC-by-nc-sa-2.0)
Deutsche Filme stehen bei deutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht besonders hoch im Kurs. Wen wundert‘s? Christine Neubauer, Walter Sittler oder der unvermeidbare Francis Fulton-Smith können einfach nicht mithalten mit all den Brad Pitts, Julia Roberts und Ben Afflecks Hollywoods. Klar, bedienen unsere deutschen Superstars ja auch eher das gesetztere Publikum. Die einzigen deutschen Filme, die tatsächlich für junge Menschen konzipiert sind, laufen dann meistens im Qualitätsprogramm einschlägiger Privatsender – und bestechen mit dem feinfühligen und hintersinnigen Humor eines Axel Steins.

Doch was sollen deutsche Jugendfilme auch publikumswirksam widerspiegeln, ohne dass es unrealistisch wird? Ich meine, wenn ich nach einem langen Studientag nach Hause komme, will ich doch nicht auch noch auf meiner Couch daheim mit der trost- und aussichtslosen Realität konfrontiert werden.

Wenn Zach Braff zu Rachel Bilson im Hollywoodstreifen „Der letzte Kuss“ sagt,  sie solle doch bitte ihre Studienzeit genießen, das sei die beste Zeit seines Lebens gewesen – dann meint er das auch wirklich so. Zu der Zeit, als ein deutscher Schauspieler diesen Satz noch ernsthaft sagen konnte, mimten Heinz Rühmann oder Hans Albers die Studenten. Und die beiden sind nun leider schon vor Jahrzehnten gestorben – und wohlgemerkt nicht mit 28.

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gibt es auf www.radioaktiv.org
Klar, die Amis haben auch das Bachelor-System. Und Michael, Zach Braffs Rolle in „Der Letzte Kuss“ hat sicherlich auch seinen Bachelor oder Master in Architektur gemacht. Aber Bachelor ist nicht gleich Bachelor. In den USA haben Bachelorstudenten in der Regel vier Jahre Zeit bis zum Abschluss. Und das kann gegenüber den drei Jahren in Deutschland schon eine ganze Menge ausmachen. Vielleicht kann man ja da sein Leben tatsächlich noch genießen. Und sitzt nicht nur in der Uni, um möglichst schnell ausgebildet, sondern tatsächlich noch gebildet zu werden.
Und darüber kann man dann sogar noch Filme machen.

Also liebe Bologna-Verantwortlichen: Rettet den deutschen Film!
Reformiert den Bachelor.

Montag, 3. Januar 2011

►Einschub: "Missgelaunter" Mannheimer Professor

Professoren werden in der Regel plötzlich ganz zaghaft, wenn man sie nach ihrer Meinung zu Bologna fragt. Zumindest in der Öffentlichkeit. "Keinen Einfluss", "Entscheidungen von oben" usw. Umso erfreulicher, dass es dann hin und wieder doch Professoren gibt, die auch vor Kamera, Mikro oder Notizblock kein Blatt vor den Mund nehmen. Einer von ihnen ist Dr. Jochen Hörisch. Er ist Inhaber des Germanistik-Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur und qualitative Medienanalyse an der Universität Mannheim und hat im radioaktiv-Interview auf das Studienjahr 2010 zurückgeblickt.

Das ganze Gespräch zum Nachlesen gibt es hier.