Mittwoch, 31. August 2011

Schlagende Argumente

Als Student begegnen einem schon mal recht skurrile Situationen. Und damit meine ich jetzt nicht das Chaos in meinem Kleiderschrank, sondern...so andere halt.

Foto: chadmiller (CC-by-sa-2.0)
Begegnet mir doch vergangene Woche in meinem Hausflur tatsächlich ein Typ mit Degen in der Hand. Ja, also so richtig wie im Fernsehen. „Vier Musketiere“ und so. Nur, dass er alleine war. Und offensichtlich Student. Interessant ist auch, dass ich mir gar nichts dabei gedacht habe, dass da ein Typ mit Degen durch meinen Flur stolpert. Man ist wohl abgehärtet mit der Zeit. Obwohl man ja nicht jeden Tag D'Artagnon in Jeans und T-Shirt in seinem Hausflur trifft. Ihm war‘s anscheinend nicht ganz so egal, denn er hat das Ding nett hinter seinem Rücken versteckt. Ich hab ihn aber trotzdem gesehen. Höhö.

Wahrscheinlich hat der Kerl den Degen ja auch nur versteckt, dass ich mich nicht erschrecke. Denn wenn er was anderes damit vorgehabt und jemand in der Nachbarwohnung niedergemetzelt hätte oder so, hätte man das sicher mitbekommen. Es sei denn, in einer meiner Nachbarwohnung verwest jetzt irgendwo eine zerstückelte Leiche, die früher mal mein Nachbar war. Das würde zumindest den etwas strengen Geruch manchmal erklären. Ich hab mir immer eingeredet es läge am Altbau.

Nein, Spaß beiseite: Ich wohne in einer Studentenstadt. Und wo es Studenten gibt, da gibt’s auch Studentenverbindungen. Und wo’s Verbindungen gibt, da gibt’s auch nicht schlagende und schlagende Verbindungen. Was im Prinzip genau das ist, wonach es klingt. Die einen schlagen sich. Mit Degen.
Ha, Rätsel gelöst! Wahrscheinlich hat der Typ mit dem Degen mit irgendeinem anderen in meinem Haus gefochten. Und dabei höchstwahrscheinlich niemanden zerstückelt. Also zumindest nicht in größerem Umfang.

Wie, das ist grausam? Ach Quatsch...in seinem Haus darf doch jeder machen, was er will! Auch fechten. Ich sing’ ja auch unter der Dusche. Das ist mindestens genauso grausam.

Und es wird mal Zeit, dass diese negative Stimmung, die immer wieder gegen diese Burschenschaftstypen gemacht wird, endlich mal aufhört. Die meisten Verbindungen sind doch ganz normale Zusammenschlüsse von Studenten…wie die Hochschulgruppe der Ökos.
Ok, vielleicht nicht ganz wie die Hochschulgruppe der Ökos.
Aber Sie wissen, worauf ich hinaus will. Man muss doch nicht noch Salz in die Wunde streuen. Und diese paar verbliebenen traditionalistischen schlagenden Grüppchen, die ab und zu mal ein paar Nazi-Problemchen haben – selbst die wandeln sich doch immer mehr zu stinklangweiligen Organisationen der politischen Mitte.

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gibt es auf www.radioaktiv.org
Wie Blödsinn? Na, schauen Sie mal: Heutzutage kann man nicht mal mehr jemand aus einer Verbindung rauswerfen, weil er asiatische Gesichtszüge hat. Damit hätte man denen mal noch vor ein paar Jahrzehnten kommen müssen...

Also, wenn das mal kein Wandel ist.

Mittwoch, 24. August 2011

Alterserscheinungen

„Boah, diese Klausur hat mich wieder einmal Jahre meines Lebens gekostet.“
Dieser Satz kommt vielen Studenten mal hin und wieder über die Lippen. Besondere Belastungszustände sind nicht gerade gut für den Körper, das weiß man und ist auch wissenschaftlich längst bewiesen. Großer Stress ist nicht nur nicht gut fürs Herz, er macht auch graue Haare. Je größer also der Stress im Studium, desto schneller altern wir tatsächlich. Na Prost Mahlzeit liebe Bachelor-Studenten. Wenn das mit der immer größeren Verdichtung von Studiumsinhalten so weiter geht, wird auf den Absolventenfeiern wohl bald über Rheuma und Arthritis diskutiert, Bingo gespielt – und Jopi Heesters tritt auf. Als Youngstar des Abends.

Foto: rosmary (CC-by-2.0)
Horrorszenarien? Äh, ja. Genau. genau darauf will ich ja hinaus. Alles Blödsinn.

Alles Blödsinn? Und das aus meinem Munde? Nein, ich bin noch nicht alterssenil. Ich habe empirische Beweise.

Neulich im Supermarkt. Der Sommer ist zurück, die Tage sind immer noch relativ lang – also kauft man zum Grillen oder zum gemütlichen Balkonabend mal einen Sixpack Bier. Alternativ Mischgetränke. Mischgetränke.
Der kauft Mädchenbier?
Japp. Bekommt mir in meinem Alter einfach besser.

Ich stehe also mit meinen sechs Flaschen an der Kasse und der Blick der Kassiererin fällt auf dieses unglaubliche Gemisch auf dem Kassenband. Dieses gefährliche Gebräu, die übelste Mischung, die Hunderttausende in die Abhängigkeit führt und ganzen Generationen Minderjähriger den sicheren Alkoholtod beschert. Dieses gefährliche Gebräu, die übelste Mischung, die Hunderttausende in die Abhängigkeit führt und ganzen Generationen Minderjähriger den sicheren Alkoholtod beschert.
Bier Limette. Drei Prozent Alkohol die Flasche.

Die Kassiererin schaut mich an, das Bier, dann wieder mich. Ich weiß, was jetzt kommt, auch wenn ich es nicht wirklich glauben will.

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gibt es auf www.radioaktiv.org
„Ausweis dabei?“
„Hab ich mich wirklich so gut gehalten?“, ist der einzige halbwegs lockere Spruch, der mir angesichts der Unterstellung, ich sei 15 oder so, noch einfällt.
“Äh ja. Seien sie doch froh!“
„Ja in 15 Jahren vielleicht.“
„Aber Sie verstehen doch, dass wir fragen müssen…?“
Jaja, klar, die Frau macht auch nur ihren Job. Und ich geb’s zu, ich war relativ frisch rasiert, meine Frisur verdeckte gekonnt den zurückgehenden Haaransatz – und ich bin ja auch höchstens 10 Jahre zu alt.
Die Frau hatte praktisch gar keine Chance.

Als ich den Supermarkt verlasse, kann ich mir ein Lächeln dann doch nicht verkneifen. Der Bachelor lässt Studenten alt aussehen? Möglich. Der Bachelor lässt Studenten alt werden? Eher nicht.

Mittwoch, 17. August 2011

Neugier

Warum haben wir eigentlich als Kinder so gerne Löwenzahn oder die Maus geguckt? Ja, auch weil Peter Lustig so eine geile Latzhose hatte. Aber doch hauptsächlich, weil man irgendwie auf eine ganz nette und unterhaltsame Art und Weise was über Dinge gelernt hat, mit denen man sich alleine wohl nicht unbedingt beschäftigt hätte. Die dann aber doch irgendwie die Neugier geweckt haben.

Foto: Roberto Verzo (CC-by-2.0)
Diese Neugier scheint allerdings bei vielen leider über die Jahre hinweg verloren gegangen zu sein. Schlimmer noch – sie scheint sogar regelrecht uncool geworden zu sein.

So kann sich ein Schüler doch sicher sein, dass er, wenn er es gut findet, dass der Klassenlehrer eine Fahrt ins Museum angesetzt hat, für die nächsten paar Wochen die lustige Rolle des Mobbingopfers übernommen hat. Dabei würde der Museumsbesuch doch der Allgemeinbildung aller Schüler gar nicht schaden. Denn fragen Sie die gleichen Schüler doch mal nach Erdkunde: da kann Ihnen jeder was über Reisanbau in Indochina oder über die längsten Flüsse Südamerikas erzählen. Bei den deutschen Bundesländern hakt‘s  dann aber schon. Klar, vor allem eine Folge vollkommen verplanter Lehrpläne – aber auch von mangelnder Neugier.

Die sich übrigens übergangslos auch unter Studenten auszubreiten droht. Kein Wunder bei Bachelorstudiengängen, die gar keine Zeit für Neugier lassen. Da muss doch jeder, der seltsamerweise dann doch noch Zeit und Motivation für Allgemeinbildung und Neugierde hat, schief angeguckt werden.

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Also, ich find‘s geil, wenn jemand schon vor dem Start den Sitzcomputer im Flugzeug durch zu viel neugieriges Drücken zum Absturz gebracht hat. Und Museen sind auch ganz nett. So mein kleiner, zur Schule gehender Leidensgenosse, wo muss ich mich anstellen, um mit Papierkügelchen beschossen zu werden?
Ein Jammer.

Vielleicht sollten wir einfach Peter Lustig aus dem Ruhestand zurückholen. Die Zeiten würden schlagartig wieder besser werden für die Neugier.

Der hatte aber auch wirklich ‘ne geile Latzhose.

Freitag, 12. August 2011

¡Viva la revolución!

Woran erkennt man im Sommer im Park die Studenten? Nein, leider nicht an der spärlichen Bekleidung und der prallen Oberweite – wir sind ja hier schließlich im echten Leben und nicht bei American Pie. Und außerdem: Wenn wir in Deutschland von „Sommer“ sprechen, dann meinen wir in der Regel Temperaturen, die an der 20-Grad-Marke kratzen und (im besten Fall) bewölkten Himmel ohne Regen. Keine Bikinis.

Foto: lilli2de (CC-by-sa-2.0)
Nein, Studenten im Park erkennt man natürlich – wie könnte es anders sein – an Bücher- oder Papierstapeln und Laptops, die bei schönem Wetter (also den 20 Grad ohne Regen) kurzerhand von der Bib auf die nächste Grünfläche verlagert werden.

Haha, hier blitzt es dann doch auf: das deutsche studentische Revoluzzertum. Die Fortführung einer langen, glorreichen Geschichte, beginnend in den Zeiten der Aufklärung, gepflastert von Helden wie Schiller, Goethe, Dutschke; das System bis ins Mark erschütternd…– ja, wir sprechen immer noch vom Wetter. Und Studenten im Park.

Wer wird denn gleich zu viel erwarten. Großangelegte Bildungsstreiks und so zum Beispiel. Nein, wenn der deutsche Student sich der Tradition besinnt, in der er steht, sich das Che Guevara T-Shirt überstreift und laut ausruft: „Sch…. doch auf die Bib! Heute lerne ich im Freien!“ – dann ist das doch dieser Tage ein wahrhaft zu würdigender Mut. Denn der Student hat damit seine mentale Grenze überwunden, eine vom System auferlegte Knechtschaft, die Tag für Tag zum Lernen und Arbeiten in die Bib drängt.

Wenn man so will, die Fortführung großer deutscher Studentenrevolutionen – zwischen Hundescheiße und nervigen Kindern, die die Bücherstapel im Park immerhin als Torpfosten fürs Bolzen benutzen können.

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Bei so viel Revolutionsstimmung ist es doch geradezu gut, dass die Temperaturen diesen Sommer so niedrig sind. Sonst würde der Student womöglich noch übermütig werden, seine Revolution tatsächlich mit Demos und diesem ganzen anstrengenden Kram fortführen – und damit womöglich noch seine Gesundheit gefährden. Herzinfarkte oder Kreislaufkollaps durch übernatürlich hohe geistige und körperliche Belastung. Solls ja schon gegeben haben.

Beim Lernen im Park bei strömendem Regen kommt Gott sei Dank maximal ein Schnupfen bei raus.

Donnerstag, 4. August 2011

Alternativen

„Boah, eigentlich hätte ich ja gerade echt Besseres zu tun.“ Wie oft kommt uns dieser Satz über die Lippen? Ziemlich oft. Als Student noch öfter. Zum Beispiel in der total sinnlosen Vorlesung, dem absolut langweiligen Seminar oder jeder anderen abwegigen Situation an der Uni.

Liebe Studenten: Total falsche Herangehensweise.

Denn sind wir mal ehrlich: Natürlich hätte man gerade Besseres zu tun. Das gehört quasi zur Definition von Studieren. Sollte man zumindest meinen, wenn man sich so manchen Studiengang  oder so manchen Kurs ansieht. Theorie-Vorlesungen zum Beispiel, bei denen man irgendwie genau weiß, dass man das, was man dort Woche für Woche macht, nie mehr im Leben brauchen wird. Ok, mal ausgenommen vom Aufbau der privaten Papierschiffchenflotte.
Die kann man schließlich immer mal wieder gebrauchen.

Oder auch so tolle Social-Skills-Kurse wie „Small Talk“.
Da lernt man sicher was.
„Boah, eigentlich hätte ich ja gerade echt Besseres zu tun.“
Ja, den Abwasch zum Beispiel. Oder endlich mal das verkorkste Leben auf die Reihe kriegen. Oder sich mit der hochphilosophischen Frage beschäftigen, wohin in aller Welt in der Wohnheimswaschmaschine immer die zweite Socke verschwindet. Fällt in der Regel immer unter „Besseres zu tun“.

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Aber wir studieren ja nicht des Studierens Willen. Wir lernen ja fürs Leben. „Es kommt nicht darauf an, was sie studiert haben, sondern dass sie studiert haben“, hört man dann immer wieder gerne von Personalern. Jaha…und Byzantinistik-Absolventen werden beim Vorstellungsgespräch auch gar nicht schief angeguckt. Und der Weihnachtsmann bringt die Ostereier. Wobei, das Drüberstehen, wenn Leute wie mein Kumpel Bernie, B.A. Byzantinistik im 5. Fachsemester, schief angeguckt werden, ist sicherlich eine dieser oft zitierten Schlüsselqualifikationen, die man durch „das Studieren“ fürs Leben lernt. Genauso, wie sich damit abfinden, dass man „eigentlich grade Besseres zu tun hätte“.

Das ist schließlich in vielen Jobs, die man mit einem Bachelorabschluss angeboten bekommt, später auch mal die meiste Zeit nicht anders.