Mittwoch, 28. September 2011

Misstrauen

Es herrscht einfach so viel Misstrauen in der Welt. Hier, gestern: Ich wollte mir nur ein Nasenspray kaufen. Also gehe ich in die Apotheke und sage: „Ich hätt‘ gern ein Nasenspray.“ Woraufhin die nette Apothekenverkäuferin doch tatsächlich mit prüfendem Blick fragte: „Haben Sie Schnupfen?“

Foto: joho345 (PD)
Ne,  Knieschmerzen. Die sprüh ich dann mit dem Zeug ein. Und gut is‘. Natürlich hab ich Schnupfen. Weswegen sollte ich sonst Nasenspray kaufen?!
Ok, ich war in der Bahnhofsapotheke. Ich hätte auch ein gefährlicher Otriven-Junkie auf der Suche nach dem nächsten Schuss sein können. Klar. Und auch möglich, dass ich, wenn ich Schnupfen habe, ein bisschen wie Christoph Daum aussehe. Aber warum denn immer gleich dieses Misstrauen?

Ist ja fast wie an der Uni.
Da findet sich ja inzwischen fast keine Vorlesung mehr, bei der es nicht irgendwie Anwesenheitslisten geben würde. Ok, als es – damals, zu Großvatters Zeiten oder so – noch Sitzscheine gab, da musste man auch mal die Anwesenheit kontrollieren. Denn wenn man in Deutschland schon nur fürs Rumsitzen belohnt wird, sollte man dafür wenigstens am richtigen Platz nur rumgesessen haben. (Gibt es eigentlich Anwesenheitslisten in öffentlichen Verwaltungen?)

Naja, aber nun gibt es ja eigentlich in keinem vernünftigen Bachelorstudiengang mehr Sitzscheine – dennoch werden fröhlich Unterschriften gesammelt. Wieder dieses Misstrauen. Und selbst wenn mal jemand wirklich nicht anwesend sein sollte: Und? Ich dachte, an der Uni will man Menschen zur Selbstständigkeit erziehen? Muss doch jeder für sich entscheiden, ob er da jetzt rumsitzt oder nicht. Und ob er die Klausur auch ohne das Rumsitzen besteht.

Ok, ich gebe es zu: So ein bisschen Misstrauen gibt es bei diesen Anwesenheitslisten auch bei mir immer. Aber das ist dann auch meistens weg, wenn ich die Liste nach Kleingedrucktem abgesucht und nichts gefunden hab. Ja nicht, dass man da irgendwelche Prospekte und so’n Kram zugeschickt bekommt, weil man irgendwo unbedacht seine Unterschrift hingesetzt hat.

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Apropos Unterschrift setzen: Das wird ja jetzt dank G8 und Aussetzung der Wehrpflicht ganz lustig. Denn nun ist es ja möglich, dass minderjährige Studenten regulär an die Uni kommen. Und die brauchen ja bekanntlich zur Einschreibung usw. die Unterschrift der Eltern. Wie das wohl mit Anwesenheitslisten ist?

„Ja? Mama? Ich bin‘s. Komm schnell her. Ich brauch gaaaanz dringend ‘ne Unterschrift. Nein, ich kann nicht lauter sprechen. Ich sitz in der Vorlesung…“

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Mittwoch, 21. September 2011

Effizienz

Um heutzutage ein Studium erfolgreich abschließen zu können, brauchen Studenten verschiedene Fähigkeiten: Flexibilität, gutes Zeitmanagement und vor allem Effizienz. Männer haben es da einfacher.  

Foto: Bergius (CC-by-nc-sa-2.0)
Warum? Na, man braucht sich doch nur eine Facette des Lebens anzuschauen und versteht alles: Telefongespräche. Wenn Frauen miteinander telefonieren, brechen die Dämme. Und die Männerwelt in Tränen aus. Ehrlich, selbst wenn ich es ernsthaft versuchen würde, zwei Stunden am Stück zu telefonieren – es würde nicht funktionieren. Weil mir irgendwann die Themen ausgingen, mir die Stimme versagen würde. Oder weil mein Gegenüber sich irgendwann wohl an seiner Decke aufgeknöpft hätte. Denn der müsste ja – damit das Experiment auch valide wäre –auch ein Mann sein. Eine Frau würde mich zwar zwei Stunden vollquatschen, damit wäre aber nicht bewiesen, dass Männer zwei Stunden am Telefon reden können.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bewundere Frauen für ihre Fähigkeit so lange am Stück reden zu können. Würd ich auch gerne. Und was wären wir Männer ohne Frauen? Nur auf lange Telefongespräche können wir verzichten. Was ich nun mal nicht verstehe ist, warum zum Beispiel meine Mutter – ja Mama, du bist gemeint – wenn sie mich nur fragen will, ob ich noch schnell was aus der großen Stadt besorgen kann, erstmal geschlagene 30 Minuten die neusten Geschichten von Gott und der Welt erzählt, ungefähr hundertmal betont, dass ich mich mal wieder daheim blicken lassen könnte und und und…
„Und Oma hat übrigens gefragt…Papa hat gesagt…ach, und weißt du was? blabla…aso, warum ich eigentlich anrufe: …“ – Ineffizient. Denn zu diesem Zeitpunkt ist der männliche Gegenüber entweder eingeschlafen oder beschäftigt sich längst mit anderen Dingen. Die Schlinge zu knoten oder so. Der männliche Gegenüber wohlgemerkt – für Frauen sind solche Anrufe kein Problem. Im Gegenteil: Sie können dem Gespräch noch locker ihre eigene Note schenken. Wenn Mama nicht grade bei Grey’s Anatomy anruft. Bewundernswert.

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Nur nicht so ganz effizient. Männer sind da – wie so oft im Leben – einfacher gestrickt. Ruft mein Vater an, läuft das Gespräch ungefähr so ab (aus Gründen der Verdeutlichung beschränke ich mich auf meine Seite des Gesprächs): „Hallo?...Joa, gut…Ja?...Ah…Mh…Ja...Joa…Mh…Ja…Ok. Tschö.“

Und trotzdem alles ist gesagt.

Mittwoch, 14. September 2011

Schuhwerk

Ich brauche neue Schuhe.
Nein, das ist kein Satz von meiner Freundin. Der ist von mir.
Jaja, ich weiß, ich bin a) ein Mann und b) Student. Also eher pragmatisch angelegt. Bin ich doch! Ich habe für den Alltag ein schwarzes Paar Schuhe und ein braunes Paar Schuhe. Und genau letzteres ist jetzt kaputt. Loch in der Sohle. Ungut, wenn irgendwo Scherben rumliegen.

Also hab ich mich auf den Weg gemacht in die einschlägigen Schuhläden um neue braune Schuhe zu kaufen. Eigentlich eine Sache von fünf Minuten. Nur nicht in diesem Jahr. „Ja, braun ist diesen Sommer einfach nicht so in“, meint die Verkäuferin. Ja toll. Ich hab aber schon ein Paar schwarze Schuhe. Und es kann doch nicht sein, dass alle braunen Sneakers, die hier im Geschäft rumstehen, aussehen, als wären sie direkt auf der Müllhalde zusammengeschustert worden. Mal im Ernst: sowas würd ich nicht mal meinem Hund anziehen – wenn ich einen hätte – geschweige denn meinen Füßen. Am Ende kriegen meine Hühneraugen noch Augenkrebs oder so. Ne.

Ich mein, hallo? Wer verbricht solche „Designs“? Anderswo ist es ja nicht anders, hier, Autos: Fiat Multipla, Chrysler PT Cruiser, Porsche Panamera. Wer in aller Welt will sowas fahren?
Anscheinend viele. Sonst würde ich die Dinger ja nicht im Verkehr sehen. Und mich darüber ärgern bis ich so schwarz werde, wie das paar Schuhe, das mir noch geblieben ist,  Hühneraugen bekomme oder mit Löcher in die Sohlen stampfe.

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Aber genau das ist der Punkt: Geschmäcker sind verschieden, hab ich mir sagen lassen. Das könnte tatsächlich die Erklärung für viele Dinge sein. Warum Leute Modern Talking gut finden. Oder Sushi. Oder morgens früh aufstehen. Bayern München. Den Papst. Diese kleinen Abreißlaschen an Reispackungen. Oder bis ins letzte Detail vorgegebene, unvariable Stundenpläne und ein durchmoduliertes Durchschleppstudium.

Geschmäcker sind verschieden.  

Und deswegen trag ich jetzt weiter Loch in der Sohle. Oder einfach meine schwarzen Schuhe.

Mittwoch, 7. September 2011

Studentenleben

Zwischen dem Bild, das die Menschen anscheinend immer noch von Studenten haben und dem tatsächlichen Leben von Studenten gibt es wohl eine ziemlich große Diskrepanz.

„Diskrepanz“ ist übrigens auch so'n super Wort fürs Radio. „Hö, wassen das?“, denkt sich der Hörer, während der auf der anderen Seite schon längst weiter im Text ist. Während der Hörer erst mal nachschlägt. Aber diese Serie hier ist ja für Studenten gedacht. Da wird man doch erwarten können, dass die Hörer oder Leser was mit dem Wort „Diskrepanz“ anfangen können. Na, nachgeschlagen? Gut.

Also diese Diskrepanz ist ziemlich groß. Die Studenten jammern, dass sie unter dem enormen Druck zerbrechen würden, der Rest spricht immer noch vom netten „Studentenleben“, in dem man morgens bis in die Puppen schlafen kann, den Rest des Tages in der Wiese rumliegen und abends dann feiern gehen. Tatsächlich sollte der Student genau das mal wieder öfter machen. Das beruhigt. Klar, in der Wiese gibt’s natürlich jede Menge Viecher, die einen bekrabbeln können, aber die Sonne genießen kann ganz gut für Herz und Psyche sein.

Man muss nicht gleich wehleidig werden, wenn Papa oder sonst wer erzählt, dass er damals, als er noch Student war, Hannes Wader, als der noch jung und gar nicht bekannt war, schon live in einer verrauchten Studentenkneipe in Landau gesehen hat. Ok, vielleicht nicht das beste Beispiel, wenn man heute dem Studenten was von „Studentenleben“ erzählen will. Erstens, weil Hannes Wader heute nicht mehr wirklich jung ist und zweitens weil die einstige kulturelle Studentenhochburg Landau...naja, das wird jeder verstehen, der heutzutage mal in Landau war. Aber es soll ja noch andere coole Studentenstädte geben. Und andere Leute die Gitarre spielen.

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gibt es auf www.radioaktiv.org
Und da soll man jetzt ein schlechtes Gewissen haben, wenn man sich die anhört? Warum? Studenten jammern so gerne, dass der Druck, der auf ihnen lastet, so groß ist, weil sie unbedingt alle Erwartungen der Gesellschaft an sie erfüllen möchten. Na bitte: Wenn die Gesellschaft anscheinend von den Studenten will, dass sie morgens bis in die Puppen schlafen, faul auf der Wiese rumliegen und auch sonst nichts tun, dann sollten die Studenten doch einfach mal damit anfangen, diese Erwartungen zu erfüllen.

Und wenn man sich einfach nur mal einen Nachmittag in die Wiese legt. Oder sich einen Abend lang in irgendeinen linken Laden setzt und einem Typen mit Gitarre zuhört.