Mittwoch, 23. Mai 2012

Zeugnisse

In Landau ist gerade ein Lehrer aufgeflogen, der jahrelang ohne Studium unterrichtet hat. Ohne, dass das irgendjemandem aufgefallen wäre. Gut, da wird jetzt der ein oder andere sagen: „In Landau…dass es da schon Schulen gibt…“…oder…“In Landauuu…do könnt‘ sogar Isch noch Schul gewwe!“ Aber um die Ehre der schönen Vorderpfalz zu retten: Sein Referendariat hat er vorher in Baden-Württemberg gemacht.

Wie das geht? Naja, der Mann war einfach gut im Zeugnis fälschen. Nicht nur sein Hochschulzeugnis, auch das zweite Staatsexamen hat er einfach mal um ein paar Noten nach oben korrigiert. „Eijoooo…mir hon uns die Zeugnisse ganz genau ahnguckt…und denn war des schon okäääiii.“ Und es hat halt weiter keiner mehr nachgefragt. Und ihn Sport und Bio unterrichten lassen.

Sport und Bio.
Ok, da erschließt sich die Notwendigkeit eines Hochschulabschlusses zugegebenermaßen ohnehin nicht direkt jedem. Und ich hätte da aus meiner eigenen Schulzeit in der Fächerkombination ein paar Kandidaten im Kollegium, bei denen ein ordentlicher Hochschulabschluss zumindest angezweifelt werden durfte. Bei Sport und Bio könnte man ja vielleicht sogar sagen: wenn er doch gut war, soll man ihn halt unterrichten lassen.
In Landau.

Aber genau das ist das Problem: aufgeflogen ist der Typ, weil er eben die letzte Pfeife war. Und der Rektor der Schule dann irgendwann doch mal die Zeugnisse hat überprüfen lassen. Nachdem der falsche Lehrer aber erstmal ein paar Jahre unterrichtet hatte.

So.
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Und da soll mir jetzt mal einer mit dem lustigen Standardspruch kommen, den superhippe Hochschul-Berufsberater und noch hippere Personaler so gerne bringen: „Neiiiiin heute zählen doch nicht mehr nur die Nooooten. Es kommt auch ganz viel auf die praktischen Fähigkeiten an, die jemand mitbringt. Und natürlich auch die Soooooft Skills.“ Zumindest die muss der Typ gehabt haben. Seine Schüler fanden ihn anscheinend ziemlich „cool“ und „lässig“. Weil sie in Bio und Sport nix mehr schaffen mussten. Soft Skills. Ok, wenn das jetzt die Kriterien sind.

Ansonsten wird eben anscheinend doch nur auf die Noten geguckt in Landau. Und Baden-Württemberg. Egal ob echt oder nicht.

Mittwoch, 16. Mai 2012

Katholikentag

Jesus ist unsere Rettung.
Keine Angst, das hier ist nicht das Vormittagsprogramm auf „Das Vierte“. Das hab ich auf dem Weg hier her auf einem Schild gelesen. Deutscher Katholikentag in Mannheim. Fünf Tage lang erinnert die Stadt an ein riesengroßes Pfadfinderlager. Viele Zelte, rührseliger Sing-Sang und viele ungeduschte Menschen.

Anwohner brauchen Stunden, um mit dem Auto zu ihrer Wohnung zu kommen. Gut, dank der ganzen Umleitungen sieht man erstaunlich viel von seinem eigenen Viertel – aber der ein oder andere sagt sich dann doch: „Hädde die das net woannerscht mache kenne?“

Doch, hätten sie. Aber wo? Nach Trier kannst du keinen Katholiken mehr lassen. Zumindest nicht die ganzen minderjährigen Messdiener. Köln? Joa und Kardinal Meisner hält den Abschlussgottesdienst. Zusammen mit Thilo Sarrazin. Kabul ist für Christen zugegebenermaßen auch noch nicht das sichere Pflaster, das sich die Befürworter einer Auslagerung erhofft hatten. Gut, irgendeine Insel in der Karibik hätte es wohl getan. Wo nur so ein paar Eingeborene drauf leben. Die hätte man dann wenigstens noch gleich missionieren können…

Also Mannheim. Unbefleckt, tolerant, multikulturell. Da fallen so ein paar Katholiken gar nicht weiter auf. Und weil die schönste Location in Mannheim nun mal das Schloss ist, geht da natürlich der größte Punk ab. Doof nur, dass anscheinend keiner dran gedacht hat, dass das Schloss ja auch eine Universität ist. Die obendrein auch noch als einzige in Deutschland die Semesterzeiten vorgezogen hat und jetzt bald schon Klausuren schreibt. Und das es ja die klitzekleine Möglichkeit geben könnte, dass da über so ein verlängertes Wochenende doch ein paar Studenten lernen oder Hausarbeiten aufarbeiten wollen...

Die Stadt sei sich dieses Problems natürlich bewusst, heißt es. Aber der Katholikentag bringe ja auch Vorteile für Leute im Studentenalter. Coole Konzerte und so. Von der Kirche organisiert. Joa. Aber wenn ich vom netten Salafisten in der Fußgängerzone einen Koran abgreife, lasse ich mich gleich missionieren, werde ich gleich schräg angeguckt und als Sympathisant abgestempelt.

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Vielleicht sollte man sich als Student aber dennoch einfach in die Bibliothek setzen. Am besten am Sonntag beim Abschlussgottesdienst. Kirchengesang im Hintergrund, das BWL-Lehrbuch auf dem Tisch. Spirituelles Lernen. Kennen die meisten Studenten nur bei zu großem LSD-Konsum am Vorabend.

Vielleicht ist spirituelles Lernen ja sogar das einzige, was hilft im Bachelor.

Jesus ist unsere Rettung.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Drehbücher

Manchmal schreibt das Leben doch echt die besten Drehbücher. Unsere Bildungsministerin, Verfechterin eines leistungsbezogenen Hochschulsystems, ehrlicher wissenschaftlicher Arbeit und schicken Kurzhaarfrisuren, soll bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben haben.

Das ist ja jetzt echt….also so was könnte sich doch echt kein Drehbuchautor ausdenken. Selbst wenn er vorher noch so viel gekokst hätte. Die Bildungsministerin, Verfechterin eines leistungsbezogenen Hochschulsystems, ehrlicher wissenschaftlicher Arbeit und schicken Kurzhaarfrisuren, die ihre eigene Doktorarbeit abschreibt, das wäre ja fast so, als würde man bei  katholischen Jugendseelsorgern plötzlich Kinderpor…mh, schlechtes Beispiel….als würde der Vorstandsvorsitzende vom Verein der südschwäbischen Shetland-Pony-Freunde mittwochsnachmittags zur Pferdemetzgerei um die Ecke gehen.
„Einmol von der guten Pony-Salami, doankääää!“

Gut, zur Ehrenrettung von Frau Schavan sei gesagt, das Ganze ist wohl nicht so schlimm wie im Fall zu Guttenberg – und bisher ist alles nur eine Behauptung anonymer Internetblogger. Und deswegen sagt Frau Schavan bisher auch noch nichts dazu. Mit der Begründung: „Anonyme Vorwürfe sind keine Vorwürfe.“ Diskutiert wird erst, wenn dieses Internetvolk sich zu erkennen gibt. Das ist zwar völliger Schwachsinn, aber auch wieder irgendwie schlau. Sollte wirklich einwandfrei nachgewiesen werden, dass die Bildungsministerin, Verfechterin eines leistungsbezogenen Hochschulsystems, ehrlicher wissenschaftlicher Arbeit und schicken Kurzhaarfrisuren, tatsächlich bei ihrer Doktorarbeit gemogelt hat, kann wenigstens keiner behaupten, sie hätte es vorher geleugnet. Wie dieser Guttenberg.

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Stattdessen sagt Frau Schavan lieber: „Nänänänänä.“ Anonyme Vorwürfe. Nö. Das ist Piratenkacke. Die sollen sich erst mal zu erkennen geben.

Sie schäme sich nicht nur heimlich, hatte Schavan in der Affäre Guttenberg erklärt und Aufklärung gefordert.

Das ist doch mal ein Wort.

Mittwoch, 2. Mai 2012

Werbung

Werbung ist manchmal verwirrend. Die DHBW, die duale Hochschule Baden-Württemberg, hat einen neuen Werbespot vorgestellt. Der soll Flexibilität, Dynamik, und Lifestyle eines Studiums an der Dualen Hochschule darstellen – und zeigt einen Sportler, der in einem Höllentempo durch ein altes Fabrikgebäude hetzt.

Dabei springt er über gefährliche Schluchten, klettert meterhohe Wände hoch und überquert mit Mords-Stunts Worte wie „Passion“, „Courage“ oder „Ambition“. Eine „Metapher für das Studium an der DHBW“ soll das Ganze sein. Aha. Also Abhetzen bis zur totalen Erschöpfung, Gefahr und übermenschliche Leistungen, die abverlangt werden – ich muss zugeben, treffender ist Bologna selten in einer Verfilmung charakterisiert wurden.

Dazu kommt natürlich der ständige Konkurrenzdruck – denn abschnittsweise liefert sich dieser bekloppte Läufer in dem Film auch noch ein Rennen gegen sich selbst. In anderen Klamotten. Das soll die verschiedenen Persönlichkeiten darstellen, die man für das Studium an der Hochschule braucht. Und dann auch noch alles unterlegt mit einem geilen Fitnessstudio-Soundtrack. Wow.

Andere Szenen sind da wohl dem Cut zum Opfer gefallen. Wo sieht man zum Beispiel die ganzen Sprinter, die auf der Strecke bleiben, weil sie die meterhohe Wand eben nicht in dem Höllentempo hochklettern können? Runterfallen und sich die Haxen brechen?

Auch die Schlussszene lässt meiner Meinung nach zu wünschen übrig. Da ist der Typ nämlich endlich auf dem Dach des Gebäudes angekommen, steht vor der untergehenden Sonne, dreht sich um – und grinst. Dann hört der Film auf. Und ich als verdutzter Zuschauer frage mich: Warum grinst der jetzt?

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Bestimmt nicht, weil er es geil findet, gerade auf das Dach einer alten Fabrik gehetzt worden zu sein. Also ein debiles Grinsen? Wird der Typ jetzt womöglich vom Dach runterspringen, weil er die Schnauze voll von dieser Menschenschinderei hat? Oder hören ganz einfach die Aufputschmittel auf zu wirken und er kippt gleich um? Fragen über Fragen.

Werbung ist manchmal verwirrend.

Mittwoch, 25. April 2012

Handy

Ich hab mir ein neues Handy gekauft. Nicht aus Spaß, nein, weil mein altes kaputt war. Denn das ist mir, kein Scherz jetzt, beim Kochen in die Soße gefallen. Es hat zwar noch eine kurze Zeit gezuckt, aber dann war’s hinüber. Ich kann nicht sagen, ob es groß gelitten hat. Aber es schmeckte auf jeden Fall nach Hähnchen-Curry.

Also musste ein neues Handy her. Und ich dachte, gut, kaufst du dir halt auch mal so ein Smartphone. Allein schon wegen dieser tollen Kalenderfunktion. Die können Studenten echt gebrauchen. Und natürlich gibt es auch sonst jede Menge nützliche Sachen – Bahnfahrpläne, Anti-Stress-Tipps und so weiter. Kurzum, alles was das Studentenherz begehrt.

Nur: Ich bin da vielleicht altmodisch, aber ich möchte mit meinem Handy auch immer noch ganz gerne telefonieren. Denn mein neues Smartphone kann zwar auf Knopfdruck Bud-Spencer-Sprüche raushauen, nur die Telefonfunktion…naja. Ich bin ja gar nicht anspruchsvoll, aber ich wär schon ganz froh, wenn man nicht nur Rauschen versteht, sondern ab und zu mal ein Wort des Gegenübers.  Aber an der Tonqualität muss man anscheinend sparen, wenn man will, dass man das Handy auch als Maschinengewehrattrape benutzen kann.

Immerhin: An das Wählen übers Touchpad hab ich mich ja inzwischen gewöhnt. Bisher kannte ich ja nur Tasten. Aber es klappt jetzt mit diesem Touchscreen. Blöd ist’s nur immer, wenn man mit der Wange das Gespräch ausschaltet.

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Aber hey, es sieht nett aus. Und kann im Lokal rote Bohnen bestellen wie Terence Hill. Und ich kann damit sicher auch Jodeln lernen. Oder Dosen durch elektromagnetische Wellen öffnen. Das ist modern. Und wenn’s modern ist, dann ist es auch toll. Punkt. Das ist wie mit so einem Bachelorstudiengang. Es kommt nicht unbedingt auf den Inhalt an, wenn’s von außen ganz nett und modern aussieht.

Außerdem: Es reicht doch, wenn man als Bachelor seine Vorlesungen in den tollen Kalender speichern kann. Zum Telefonieren hat man ja sowieso gar keine Zeit.

Mittwoch, 18. April 2012

Hungerstreiks

Mit leuchtenden Augen und Stolz in der Stimme erzählt mein Professor, wie er als Student protestiert hat. Nein, nicht etwa als 68er – vorher. Ich würde mal tippen: viel weiter vorher. Und es ging damals laut ihm auch nicht um Demokratie, Mitbestimmung und den ganzen Kram. Es ging um viel Elementareres.
Es ging ums Essen.

„Wir haben einen Hungerstreik gemacht und sind spontan zur Verwaltung marschiert“, erzählt mein Professor. Ja klar, es sei damals „nur ums Essen“ gegangen – ja, aber es ging immerhin überhaupt um etwas!

Heute? Mal ganz davon abgesehen, dass das Essen in der Mensa heute das geringste Problem der Studenten ist und sich die meisten wohl längst damit abgefunden haben – um die Streikmoral unter Studenten steht es schlecht. Und wenn dann der Unmut doch einmal kundgetan wird, dann, naja…maximal auf Facebook.

„Boah. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Kein Bock mehr auf den scheiß Bachelor xP“, schreibt Student A – und erntet binnen Sekunden 27 „Gefällt mir“s.
„Hast Recht! Lass uns was dagegen unternehmen! *angry*“, kommentiert Student B.
„Ok. Gleich?“, fragt Student A.
„Geht nicht. Gleich kommt Grey’s Anatomy.“, antwortet Studentin C.
„>.< Morgen?“
„GNTM.“
„Hä?“
„Germany’s next Topmodel.“
„*rolleyes*”, schaltet sich nun Student D ein.
„OMG. Zu viel zu tun“, meint Student E.

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Bis sich schließlich alle darauf einigen, eine doodle-Umfrage zu starten, wer wann am besten Zeit hätte zum Protest. Und nach ein paar Tagen feststellen, dass eigentlich keiner irgendwann Zeit hat. Außer am Montag um 9. Da könnten fünf. Aber nur ‘ne Stunde. Zum gemeinsamen Brunch reicht’s vielleicht.

Auch heute geht’s halt irgendwie noch immer nur ums Essen.