Mittwoch, 28. März 2012

Modernisierung

Gestern hat mein Vermieter bei mir angerufen. Ob ich Gas hätte?
„Hab ich grade nicht zu Hause“, hab ich gesagt und er hätte sich sicherlich verwählt, hier ist nämlich nicht Putin…aber das das käme durchaus öfter vor, anscheinend hat der eine ganze ähnliche Nummer.

Nein, nein…ob ich noch einen Gasherd oder eine Gasheizung hätte. Das Haus werde nämlich in den kommenden Wochen modernisiert. Dann flöge das ganze alte Zeug nämlich raus. Und wenn sie grade dabei sind, werden auch gleich noch ein paar alte Kamine abgerissen und das Dach neu gedeckt. Aber wenn ich keine Gasheizung in meiner Wohnung hätte, dann wäre ich jetzt dann ja über die Bauarbeiten informiert.

Bauarbeiten.
Das wird mir in diesem Moment erst schlagartig klar. Bauarbeiten. Die machen Krach. Ganz plötzlich überkommt mich die Panik.
Werde ich noch genug Schlaf bekommen, wenn erst mal Herden von Bauarbeitern damit angefangen haben, das halbe Haus abzureißen und sich über das Dach her zu machen?
Werde ich vollkommen übernächtigt zur Uni gehen müssen?
Kein bisschen vorbereitet, weil ich mich wegen des Kraches nicht konzentrieren kann beim Lesen?

Werde ich deswegen womöglich durch die Klausur fallen? Meinen Abschluss in Gefahr bringen? Von der Uni fliegen? Plötzlich auf der Straße stehen, ohne Abschluss, ohne irgendwas. An die falschen Leute geraten? Drogenabhängig werden? Mir mein Crack dadurch beschaffen, dass ich in Sozialwohnungen einsteigen werde und alles zu Geld mache, was man irgendwie verwerten kann? Oder mich sogar prostituieren? Schließlich mit dem goldenen Schuss im Arm und vom eigenen Erbrochenen umgeben unter einer dreckigen Brücke am Neckarufer gefunden werden?

Ich bin verzweifelt. Und denke ernsthaft darüber nach, ob ich meine Wohnung nicht zum nächsten Ersten kündigen sollte. Es hat doch keinen Sinn mehr.


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Bis mir plötzlich einfällt, dass  nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Angekündigt wird viel. Zum Beispiel Bauarbeiten am Haus. Oder die Reform eines Studiensystems, die den Studenten endlich wieder die Möglichkeiten geben soll, wieder etwas Bleibendes aus der Studienzeit mitzunehmen, statt nur noch Wissen in sich hineinzufressen und strukturiert auszukotzen.

Wie gesagt: Angekündigt wird viel. Von der Umsetzung merkt man nachher meistens wenig.

Mittwoch, 21. März 2012

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„Was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“
Das klingt simpel. Isses auch. Trotzdem hat genau diese Erkenntnis den US-amerikanischen Ingenieur Edward A. Murphy Junior berühmt gemacht. „Murphy‘s Law“ – oder anders ausgedrückt: im Zweifelsfall wählt man im der Mensa immer genau das Menü, das einen früher oder später ins Krankenhaus oder zumindest über die Kloschüssel bringt.

Denn „Murphy‘s Law“ gilt nirgendwo mehr als im Studium.
Da möchte man kurz vor Abgabefrist seine Hausarbeit ausdrucken und natürlich gibt in genau diesem Moment dein Drucker den Geist auf. Und mit „Geist aufgeben“ meine ich nicht nur „Patrone leer“, sondern eine mittelschwere Tintenexplosion mit starker Rauchentwicklung.

Was tun? Meine erste Anlaufstelle: der Druckerpool an der Uni. Ich stecke also meinen USB-Stick ins Portal, meine Kopierkarte ins Gerät, drücke auf „Drucken“ und…nichts. Natürlich. Ich rufe also den netten Hiwi – und der startet den Druckaufgang noch mal. Und noch mal. Und noch mal. Versucht‘s dann auf dem nächsten Drucker. Und wieder einem anderen…mit dem Ergebnis, dass der Druckauftrag zwar 13-mal von meiner Kopierkarte abgebucht wurde – aber kein einziges Blatt Papier auch nur aus einem der Drucker gekommen wäre.

Nun gut. Nun haben diese Studentenstädte ja den Vorteil, dass es jede Menge Copy-Shops gibt, denk ich mir. Und zufällig ist ja grade einer um die Ecke bei mir. Ich geh also hin und lese an der Tür…“Geöffnet ab… 12 Uhr?!“
Joa, das ist eine humane Zeit. Vor allem für den Ladenbesitzer.

Blöd, dass es erst in zwei Stunden Zwölf ist. Also abwarten, Tee trinken und die Schweißausbrüche angesichts der immer näher kommenden Deadline geflissentlich ignorieren.

Um exakt zwei Minuten nach Zwölf betrete ich schießlich den Copy-Shop um die Ecke. Der Ladenbesitzer blickt verstört von seinem PC auf (man sieht ihm an, dass lieber weiter mit seinen Nachtelfen bei Warcraft eine Horde Orks platt machen will statt mich jetzt zu bedienen) und bringt mir etwas entgegen, dass sich stark nach einer Mischung aus „Hä?“, „Mh?“ und „Watt?“ anhört. Als ich ihm mein Anliegen kundgetan habe, schafft er es aber dann doch tatsächlich, in nur wenigen Stunden, meine Hausarbeit auszudrucken (vorher müssen aber erst einmal noch ein paar Orks dran glauben).
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Und schließlich, Punkt 17:58 Uhr, zwei Minuten vor Abgabefrist, stehe ich vor der Tür des Dozenten. Wo mich allerdings nur ein Zettel begrüßt, auf dem steht, dass er kurzfristig in die Heimat fahren musste und man die Hausarbeit doch deswegen auch bis 18 Uhr per Mail einsenden dürfe.

Das ist der Moment, in dem ich hoffe, dass Murphy’s Law auch für Dozenten gilt.

Und die Horde Orks, die ich ihm gerade an die Gurgel wünsche, ihn daheim nicht verpasst.

Mittwoch, 14. März 2012

Zeitgefühl

Langzeitstudenten sind eines der größten Übel unserer Gesellschaft. Könnte man zumindest meinen, wenn man dem einen oder anderen Bildungspolitiker so zuhört. Auf einer Skala von 0 bis 10 rangieren Langzeitstudenten wahrscheinlich irgendwo bei -3. Also direkt zwischen Politessen und Borkenkäfern.

Gut, viele der Langzeitstudenten sehen ja auch aus wie ein Borkenkäfer. Aber deswegen braucht man sie doch nicht gleich verurteilen! Wolfgang Thierse darf schließlich auch seit über 20 Jahren in den Bundestag.
Womit wir beim Thema wären: Politiker.

Unsere allseits geliebte Bundesbildungsministerin Annette Schavan ist ja bekanntlich eine glühende Verfechterin des Sechs-Semester-Bachelors. Von Klagen über Lernstress, hohe Arbeitsbelastung oder gar Forderungen nach einem flächendeckenden Acht-Semester-Bachelor will sie nichts hören, hat sie jetzt der Zeit gesagt.

Das wäre doch schließlich ein völlig falsches Zeichen, wo doch vor ein paar Jahren noch alle überlange Studienzeiten und die so genannten „ewigen Studenten“ beklagt hätten.

So. 
Jetzt darf man der armen Frau sicherlich zuallererst mal keinen Vorwurf machen. Denn Frau Schavan ist ja Politikerin. Und für die wird’s halt schwierig, wenn es plötzlich um längere Zeitspannen geht. Wo doch sonst maximal der Zeitraum bis zur nächsten Wahl zählt.

Ja, in Lübeck haben sie neulich einen Studenten rausgeschmissen, weil er nach 48 Semestern immer noch keine Anstalten gemacht hat, seinen Abschluss zu machen. Ok. Aber was sind denn das für Maßstäbe?

Seit wann ist denn jemand “ewiger Student“, wenn er mal in vier Jahre lang, mit Master vielleicht fünf oder sechs studiert? Damit liegt er sogar immer noch knapp unter dem Schnitt zu Diplom- und Magisterzeiten…
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Am besten, wir kürzen das mit der lästigen Wissensvermittlung einfach noch weiter, damit erst gar keiner auf die Idee kommt, auch noch sechs Semester als Langzeitstudieren zu bezeichnen.

Seine Brötchen kann man sich ja dann als Borkenkäfer verdienen. Wie man ein bisschen die Rinde abknabbert, lernt man auch in deutlich weniger als sechs Semestern.

Frau Schavan wird’s freuen.

Mittwoch, 7. März 2012

Man

Man ist kein wirklich schönes Wort.
Man ist irgendwie unpersönlich und nicht wirklich klar.
Wer oder was ist dieses man eigentlich? Eine Frau? Ein Mann? Man kann es nicht wirklich sagen.

Und genau deshalb lernt eigentlich jeder, der irgendwie mit Sprache zu tun hat oder in der Öffentlichkeit redet, dass sie oder er das Wörtchen man am besten aus seinem Sprachgebrauch streicht.
Außer Politiker.

Die benutzen das man nämlich ganz gerne, eben weil es so schön unpersönlich ist, dieses man. Und man damit eigene Fehler so schön kaschieren kann… man…

Man habe sich beim Umbau der Studiengänge viel zu lange auf formale Aspekte konzentriert und versäumt, die entscheidende Frage nach der Bedeutung von Wissenchaft für die Hochchule zu stellen. Das hat Bundesbildungsministerin Schavan nun in einem Interview zugegeben. Man hat versäumt…Wer ist denn dieses man? Doch sie? Also nicht Sie sondern sie. Also Schavan selbst?
Ja, ich geb’s zu, das ist jetzt grammatikalisch spitzfindig.

Es sei übrigens auch psychologisch verheerend, sagt die Ministerin weiter, wenn man die Botschaft vermittelte, universitäre Spitzenforschung seinur noch an wenigen Standorten möglich. Ja, wenn man das macht, ist das verheerend. Gut, dass Frau Schavan das nicht macht.
Ach, tut sie ja doch.

Und auch, wenn man die weiteren Kernaussagen des Interviews zusammenfasst, kommt man zu dem Ergebnis, dass man Humbodt oder zumindest seinen Grundgedanken von Bildung durch Wissenschaft nicht umgebracht hat…ne, das war ja, Sie werden es langsam ahnen, auch sie. Also Frau Schavan.

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Man bemüht sich natürlich auch darum, das Bildungssystem weiter zu verbessern. Wie schön, dass es wenigstens einer macht. Wenn schon nicht die Ministerin selbst. Wer oder was auch immer dieser man nun eigentlich ist.

Es ist aber auch einfach ein tolles Wort. Manmanmanmanman…!