Mittwoch, 4. August 2010

Digitale Revolution

Seit der Umstellung auf das Bachelor/Master-System ist das Internet das wichtigste Kommunikationsmedium geworden. Prüfungsanmeldungen, Klausurnoten, Veranstaltungswahl – alles läuft heute elektronisch. Sogar die gute alte Mitschrift in Vorlesungen wird durch das online Stellen von Präsentationsfolien auf einige wenige Ergänzungen beschränkt.

Willkommen im Zeitalter der digitalen Revolution.

Und ihren katastrophalen Folgen.
Jedes Jahr zur Klausurenzeit laufen Arztpraxen und Krankenhausnotaufnahmen über: Handgelenksverstauchungen, -brüche und sonstigen Verletzungen, die entstehen, wenn man eine bestimmte Bewegung einfach nicht mehr gewöhnt ist – in diesem Fall das Schreiben mit einem Stift auf Papier.

Schlimmer noch: Es soll sogar Klausuren geben, in denen von den Studenten keine inhaltlichen Nachfragen mehr gestellt werden, sondern eher solche Dinge wie „Wie geht noch mal ein S in Schreibschrift?“ oder „Kann man die Antwort nicht einfach irgendwo vom Blatt copyen und dann mit Strg+V in die vorgegebenen Linien pasten?“ Wahrscheinlich stammen diese Überlieferungen aus dem BWL-Bereich. Oder von den Byzantinistikern? Muss mal Bernie fragen.

Das Katastrophale aber ist eigentlich, dass dem modernen Bachelor-Studenten durch den Internetboom eine Menge guter, alter Studententraditionen durch die Lappen gehen.
Wie toll war es, wenn man als kleiner Junge die älteren Geschwister von Schulkameraden davon reden hörte, sie müssten da und da noch einen „Schein“ machen. Das klang doch irgendwie…cool. Heute? Scheine bekommen nur noch die Lehrämtler – wahrscheinlich weil sie noch nicht gelernt haben, wie man einen Computer einschaltet und bedient.

Meinen ersten (und bis heute einzigen) Schein habe ich sage und schreibe in einer Germanistik-Veranstaltung im dritten Semester bekommen – war wohl ein Versehen. Ich war so überrascht, dass ich mir das „Nein danke, bitte keine Werbeflyer“ nur gerade noch so verkneifen konnte. Wahrscheinlich hätte der Professor ähnlich reagiert wie der Dozent neulich, als man sich doch tatsächlich für eine Veranstaltung per Hand (!) in einer Liste eintragen sollte. Und ich ihn fragte, ob er mir wirklich versichern könne, dass ich durch die Unterschrift nicht irgendwelche dämlichen Zeitschriften-Abos ins Haus bekommen würde. Nach dem dritten Mal hat er mir gedroht, mich durchfallen zu lassen.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Hätte ich dann wahrscheinlich auch im Internet erfahren. Denn der Bachelor bekommt alle Noten übers Internet. Dank Systemfehlern nicht immer die richtigen – ok, wieder der ein oder andere unnötige Heulkrampf, Nervenzusammenbruch oder Suizidversuch mehr, aber wen interessieren denn die Einzelfälle irgendwelcher Immatrikulationsnummern in irgendeinem Computer?

Willkommen im Zeitalter der digitalen Revolution.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen