Mittwoch, 29. Dezember 2010

We'll tak' ae cup o'kindness yet…

Es war nicht alles schlecht.

Keine Angst, das wird jetzt kein Plädoyer für Autobahnen oder Jugendfreizeitgestaltungsangebote. Ich könnte mich danach ja auch schlecht selber aus dem Studio werfen.
Nein, es war nicht alles schlecht im alten Jahr. Doch in welchem Jahr war schon alles schlecht?
Wir sind Weltmeister geworden – fast.
In Stuttgart haben sie problemlos den Bau eines neuen Bahnhofs durchgesetzt – fast.
Und wieder einmal wurde eine Reform durchgesetzt, die mehr Bildung versprechen soll – fast.

Aber eigentlich habe ich auch gar keine Lust, über das alte Jahr zu reden. Diese leidigen Diskussionen ob Studenten nun faul sind und wenn ja warum nicht, ob das BAföG nun um 3,40 Euro oder um 3,70 Euro erhöht werden soll, oder ob wir nicht nur die Wehrpflicht abschaffen sondern die Unis gleich mit, dann können sie auch nicht überfüllt werden – genug.

Dafür ist auch im nächsten Jahr noch genug Zeit und Gelegenheit. Garantiert.

Stattdessen sollten wir lieber vorausblicken. Denn wie gesagt, es war und ist nicht alles schlecht.
Wir leben in einem Land, in dem jeder immer noch die Chance hat, den Bildungsweg einzuschlagen, den er möchte.
Auch wenn die Studenten jammern, sie hätten kein Geld, würde wohl keiner ohne Weiteres mit dem dreijährigen Kind aus der Sahelzone tauschen.
Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Und selbst unser Studiensystem, an dem es sicherlich viel zu meckern gibt, hat eine ganze Menge gute Seiten. Fragen Sie mal den Austauschstudenten aus Irland, den deutschen Praktikanten in Frankreich oder die Putzfrau in Studentenwohnheimen. Denn nur sechs Semester Bachelorstudium bedeuten schließlich auch, selbst die größte Dreckschleuder ist nach sechs Semestern wieder weg.

Deswegen: An alle treuen Hörer, Leser, an alle stillen und nicht so stillen Verehrer…innen, alle Kritiker –  und sogar an Bernie, B.A. Byzantinistik im 4. Fachsemester: Ein frohes und erfolgreiches neues Jahr!

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Frohe Weihnachten

Foto: wolfsavard (CC-by-2.0)
Freitag, 24. Dezember – Heiligabend.
Der gemeine Bachelor ist auf Heimaturlaub und hat es nach drei Versuchen sogar geschafft, von seiner Familie hereingelassen zu werden. Die Tatsache, dass Haarpflege und Rasur aufgrund von anderen – studienbezogenen – Prioritäten in den letzten Wochen etwas in den Hintergrund hatten treten müssen trug ebenso wenig zu einem schnelleren Gelingen dieses Unterfangens bei wie der Fakt, dass man sich das letzte Mal an den letzten Weihnachten gesehen hat – früher war halt keine Zeit zum Heimkommen.
Doch wie gut, dass der Bachelor schon den neuen Personalausweis beantragt hat und sich so einwandfrei als Sohn, Bruder oder Enkel hat ausweisen können.

Nun ist das traditionelle regionale Heiligabends-„Fest“-Essen (Würstchen und Kartoffelsalat) hinter sich gebracht, Omas alter Plattenspieler leiert zum dritten Mal „Stille Nacht“ (oder ist das „O Tannenbaum“? Opas Asthmaröcheln ist so laut, seitdem die Krankenkasse nur noch das billigste Spray bezahlt) – kurzum: es ist Zeit für die Bescherung. Und Zeit für Ruhe und Besinnlichkeit.

Ohnehin, der gemeine Bachelor hat sich vorgenommen, an diesen drei Tagen nichts, aber auch GARNICHTS für die Uni zu machen. Und ist gewillt, dies knallhart durchzuziehen.

Doch schon als er das erste Päckchen öffnet, tut sich ein Knall.

(Anmerkung des Autors: Die folgenden Ereignisse sind zur Unterstreichung der dramatischen Tragweite in Dramenform verfasst)
Stimme: Hohohohohooooo…
Bachelor: Wer bist du? Der Weihnachtsmann?!
Stimme: Der Weihnachtsman? Hahahaha (lacht) Ich bin der Bachelorteufel.
Bachelor: Der was?
Stimme: Der Bachelorteufel. Und ich bin da, um dich an deine Pflichten zu erinnern. Lernen, lesen, arbeiten, Praktikum machen…!

In diesem Moment hat der Bachelor das Päckchen zugeknallt. Denn schließlich wird er nichts, aber auch GARNICHTS für die Uni machen an diesen drei Tagen. Doch die Freude währt nur kurz.
Bachelorteufel: Hohohoho (lacht). Ich bin überall. ECTS-Punkte, Abschlussnote, Assessment Center…!

Nun bekommt der Bachelor doch ein etwas flaues Gefühl im Magen. Und „Stille Nacht“ klingt auf einmal wie der „Imperial March“.

Bachelor: Aber es ist doch Weihnachten!
Bachelorteufel: Und?
Bachelor: Hau ab! Mir machst du kein schlechtes Gewissen! Ich werde an Weihnachten nichts, aber auch GARNICHTS für die Uni machen! Ich habe auch noch ein Leben!

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Am nächsten Morgen riecht es in der Küche ziemlich streng. Der Weihnachts-Truthahn ist angebrannt.

Weil der gemeine Bachelor über seinem Lehrbuch sitzend doch glatt die Zeit vergessen hat.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Evolution

Ich hasse Schwimmen!

Foto: yeenoghu (CC-by-nc-sa-2.0)
Wahrscheinlich hat sich das vor ein paar hundert Millionen Jahren auch ein Fisch gedacht – und ist aus dem Wasser gestiegen. Seine Nachfahren legten sich dann im Laufe der Zeit anständige Füße zu, wurden zum Affen und irgendwann zum Menschen. Evolution halt. Weiterentwicklung. Fortschritt. Gibt’s fast überall…und läuft eigentlich immer in eine positive Richtung. Außer bei TV-Formaten vielleicht.

Auch was Bildung betrifft, lief es eigentlich bisher ganz gut: weltweite Alphabetisierung, Säkularisierung... Und bevor sich die Mainzer irgendwelchen lächerlichen Frühjahrsbeschäftigungen und noch lächerlicheren Fußballclubs zugewendet haben, haben sie sogar den Buchdruck erfunden. Also Gutenberg.
Wie, der ist gerade mit seiner Frau in Afghanistan?
Achso…sehen Sie, genau das ist das Problem: Bildung.

Wir schaffen es nämlich heutzutage ganz gut, den evolutionären Weg der Bildung umzukehren. Nicht nur durch seltsame Studiensysteme, die nach italienischen Provinzstädten benannt sind. Nein – wir schaffen es sogar, Leuten in nur sechs Semestern, eine ganze Menge Wissen wieder wegzunehmen.

Hauptseminar Bachelorstudiengang, 5. Semester: „Ich habe natürlich nicht die Texte ausgesucht, die ich gewählt hätte, wenn wir hier nur fortgeschrittene B.A.-Studenten wären“, meint die Dozentin. „Schließlich sitzen hier ja auch Nebenfächler und Lehramtsstudenten.“ Komisch. Im Proseminar hat das noch niemanden gestört.
Hallo? Es ist ja nicht so, dass ich in ein paar Monaten eine Bachelorarbeit abzugeben hätte. Und ich dazu vielleicht ein bisschen Wissen bräuchte. Der wie der Fisch vor ein paar Millionen Jahren dreinblickende Lehrämtler da hinten hat es nicht so eilig. Ich schon.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Schuld an dem Ganzen sind übrigens Prüfungsordnungen und  Modulhandbücher, die in etwa so aussehen wie das Durcheinander auf der Erde, dem der Fisch begegnet ist, als er aus dem Wasser kletterte. „Exportmodul A wird übertragen in Aufbaumodul 2b, Basismodul 1…“ So ähnlich hat sich auch die Bauanleitung meines letzten Kleiderschranks gelesen. Mit ähnlichem vernichtendem Ergebnis: Hauptseminare sind leichter als Proseminare, Bachelor wissen nicht, was sie wissen sollen – und Lehrämtler wissen überhaupt nichts mehr.

Was kommt als nächstes? Zurückentwicklung zum Affen in sechs Semestern? Und wem das nicht reicht, der kann das Ganze im Masterstudium bis zum Fisch durchziehen?

Ich hasse Schwimmen!

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Unbezahlbar?

Das Versprechen „Bildung für alle“ ist spätestens seit der Einführung von Studiengebühren eine äußerst fragwürdige Sache. Wer nun aber denkt, wenn er einmal pro Semester ein paar hundert Euro abdrückt, kommt er erfolgreich durchs Studium, irrt gewaltig.

Eine große internationale Kreditkartenorganisation lehrt uns schließlich in ihren Werbespots, dass man eigentlich alles kaufen kann. Außer ein paar unbedeutenden Dingen wie Freunde, Liebe oder Familie. Die sind angeblich unbezahlbar. Selbst das gilt es aber zu bezweifeln. Fragen Sie mal den ein oder anderen Thailand-Urlauber.

Fest steht jedenfalls, dass es diese Werbespots in allen möglichen Facetten gibt: Job, Party, Fußball. Warum eigentlich noch nicht speziell auf Studenten zugeschnitten? Weil Studenten kein Geld haben? Quatsch. Denn Geld scheint gerade für ein erfolgreiches Studium eine immer größere Rolle zu spielen. Könnte man zumindest meinen.

Der Spot würde sich dann wohl in etwa so anhören (Natürlich müsste das Ganze noch mit dem passenden Schöne-Heile-Welt-Gedudel unterlegt werden):

Verwaltungsgebühren: 100 Euro

Studiengebühren: 500 Euro

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Den Dozenten vor der Klausurenphase  ins Ferienhaus auf Sylt einladen: 1.000

Großzügige Spende an Universitätsbibliothek: 3.000 Euro

Prozesskosten für richterliche NC-Umgehung: 10.000 Euro 

Dumm wie Stroh und trotzdem einen Doktortitel: 30.000 Złoty.

Angeblich gibt es Dinge, die kann man nicht kaufen…für alles andere gibt es Mami und Papi. Und ihre Kreditkarte.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Weiße Schafe

Eine alte saarländische Lebensweise besagt: „Mer holles, damets net fortkummt“. Das heißt übersetzt: „Wir nehmens mit, damit es niemand klauen kann.“ Und das bedeutet: Wenn ich im Baumarkt arbeite, dann richte ich gefälligst auch mein Haus mit Baustoffen aus diesem Baumarkt aus – natürlich nach Feierabend und ohne dafür zu bezahlen. Ich arbeite ja da.
Trotzdem käme wohl niemand auf die Idee, deswegen jetzt zu sagen: „Alle Saarländer klauen“ - selbst ich als Rheinland-Pfälzer nicht.

 Ähnliches gilt für all diejenigen, die im Monat zehnmal wegen „Krankheit“ im Betrieb fehlen. Deswegen sind ja auch nicht gleich alle Arbeitnehmer  Blaumacher. Es gibt zwar schwarze Schafe...aber das sind Ausnahmen.

Bei Studenten ist das anders: da scheint es unter all den schwarzen Schafen nur ein paar weiße zu geben. Schenkt man zumindest gewissen Medien Glauben.

Nun habe ich weder was gegen schwarze Schafe, noch gegen Multikultiherden...aber: warum werden die schwarzen Schafe unter den Studenten gleich als Regel verschrien? Klar, natürlich gibt es Studenten, die nichts tun, nur das BAföG abgrasen und sich einen feuchten Dreck um ihre Zukunft kümmern – aber das sind Ausnahmen. Wieso reicht das, um von „Bachelorlüge“, „faulen Studenten“ und sonst was zu reden?

Der normale Student studiert nicht nur seine 15 bis 30 Stunden die Woche, er muss auch Sitzungen vor und nachbereiten und hat daneben noch einen Job. Denn das BAföG reicht ja hinten und vorne nicht. Dass ein Student dann ja immer noch fünf Monate Semesterferien habe, ist eine bloße Lüge. Diese „Ferien“ heißen sogar offiziell vorlesungsfreie Zeit – und sind nur für die schwarzen Schafe wirklich Ferien. Die weißen Schafe machen in dieser Zeit Praktika, um später eine Chance im Leben zu haben, oder  schreiben Hausarbeiten...oder...oder...oder…

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Nicht zu vergessen der psychische Druck: Selbst wenn der Student abends daheim auf der Couch liegt, schweben über ihm Abgabetermine, Zukunftsängste und drohende Klausuren.

Der 38-Stunden-Angestellte hat diesen Stress nicht.

Es sei denn, er nagelt abends noch die Bretter aus seinem Baumarkt daheim an die Wände.

Mittwoch, 24. November 2010

Realsatire

Warum soll man sich eigentlich jede Woche hinsetzen und sich irgendwelche kranken Verbindungen zwischen Alltagsphänomenen und dem Bachelor überlegen, wenn die Realität doch schon lustig genug ist. Oder traurig – je nach Ansichtsweise. Man muss sich nur mal umsehen.

Folgendes hat sich so tatsächlich an der TU Kaiserslautern abgespielt – und wird sich wahrscheinlich auch noch das ein oder andere Semester lang so abspielen:

Foto: Marius Grathwohl (CC-by-sa-2.5)
Ein Fachbereich – der genaue Fachbereich ist unwichtig, es könnte sich um jeden Fachbereich mit Bachelorstudium handeln – hat ein Büro, das einzig und allein für Prüfungsangelegenheiten zuständig ist. Ein oft gepriesener „Fortschritt“ des Bachelorstudiums in Kaiserslautern soll sein, dass Studenten nun schon Vorlesungen des Hauptstudiums in Grundstudium hören konnten (wohl wegen der Zeitknappheit).

Wer sich nun aber im Prüfungsbüro – das es eigentlich wissen müsste – anmelden will, bekommt nur ein "Nein tut uns Leid, das geht nicht" zu hören. Da es der gemeine Bachelor aber Gott sei Dank gewohnt ist, bei einem „Nein“ nicht gleich locker zu lassen, läuft er erst einmal zum Dekan. Und der kann ihm natürlich sagen, dass das mit der Anmeldung doch geht. Das Prüfungsamt – das es eigentlich hätte wissen müssen – sieht seinen Fehler ein, verlangt aber, dass die Studenten eine Vertiefungsrichtung fürs Hauptstudium angeben. Also wieder zurück zum Dekan, damit der den nötigen Wisch unterschreibt. Dann endlich ist das Prüfungsamt – das eigentlich nie etwas weiß - so gnädig, die gewünschte Klausur anzumelden.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Das wäre ja alles noch schön und gut, wüsste das Prüfungsamt anscheinend nicht doch genau eine Sache: nämlich, dass es nur an einem Tag im Semester Prüfungsanmeldungen entgegen nimmt und – es ist schließlich ein Prüfungsamt – auch an diesem einen Tag nur fünf Stunden geöffnet ist. Wenn jetzt hunderte Studenten in Schlangen vor den Türen dreier Mitarbeiter stehen und sich die Hälfte aufgrund des Dauerlaufs zwischen Dekan und Büro auch noch mehrmals anstellen muss, kann man sich ungefähr vorstellen, wie viel Zeit an diesem Tag für die Vorlesungen bleiben – am besten noch für die, für dessen Prüfung man sich eigentlich hatte anmelden wollen.

Sowas kann sich kein Mensch als Fiktion ausdenken, egal wie viele Flaschen Rotwein er intus hat. Deswegen: Danke Bologna.

Mittwoch, 10. November 2010

Herumgetriebenenbund

Es vergeht aktuell fast keine Woche, in der der Bund der Vertriebenen keine Schlagzeilen macht. Bei allen Kontroversen, ein solcher Verein hat sicherlich irgendwo auch seine Daseinsberechtigung.
Doch warum gibt es nicht auch schon längst einen Bund der Herumgetriebenen?
Der Bildungs-Herumgetriebenen.
Was das ist?
Na, ganze Jahrgänge sind davon betroffen.

Mitte der Neunziger hat man den kleinem, naiven ABC-Schützen erzählt, dass man den Fluß mit scharfem S schreibt, den Bäcker mit k-k trennt – und niemals s und t. Denn das tat den beiden angeblich weh. Doch schon im zweiten Schuljahr schienen sich s und t zu Masochisten gewandelt zu haben – denn den beiden war es auf einmal piepegal, ob sie getrennt wurden oder nicht.
Rechtschreibreform, erzählte man dem Zweitklässler, der mal schnell gerade alles wieder von vorne lernen durfte. Und noch ein paar Mal hin und her. Mit jeder Reform der Reform. Herumgetrieben halt. Zwischen trennbarer Oma – nämlich nach dem O – und untrennbarer.

Der arme, inzwischen ehemalige ABC Schütze fühlte sich wie ein Versuchskaninchen und fragte sich, wie man das mit ihm machen kann. Schließlich erzählte man doch überall, Tierversuche seien böse. Doch Greenpeace hatte gerade etwas anderes zu tun. Sich an Öltanker ketten und so.

Doch damit nicht genug. Kam das arme Kaninchen zu allem Überl auch noch aus Rheinland-Pfalz, so wurde kurz vor dem Abitur auf einmal selbiges ein halbes Jahr vorgezogen. Auf Probe. Lassen wir einfach mal ganze Jahrgänge ins Messer laufen. Und ohne nachvollziehbaren Sinn. Übrigens heute noch nicht. Greenpeace? Irgendwo im Regenwald.

Die Versuchskaninchen, die das alles überlebt haben, wurden dann mal gleich mit dem neuen Bachelor-Master-System konfrontiert. Warum auch vorangegangene oder spätere Jahrgänge belasten? Verheizen wir doch unsere Versuchskaninchengeneration!

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Und weil Greenpeace gerade irgendwelche Castor-Transporte aufhalten oder Öl-Sardinen aus von explodierten Bohrplattformen verseuchten Gewässern angeln muss, nehmen wir das Ganze doch einfach selber in die Hand.

Gründen wir den Bund der Herumgetriebenen.

Donnerstag, 4. November 2010

Statistik


„Traue nur der Statistik, die du selber gefälscht hast.“
Wenn ich etwas in fast 13 Jahren Schule gelernt habe, dann das. Und ja, liebe G8-Schüler, ich gehöre noch zu der Generation, die fast 13 Jahre in die Schule gehen durfte. Aber macht euch nix draus, dafür hattet ihr schon früher keine Freizeit mehr und der Umstieg auf den Bachelor fällt euch viel leichter.

Foto: dkpto (CC-by-2.0)
Manchmal braucht man aber eine Statistik gar nicht erst zu fälschen. Es reicht dann schon, wenn man einfach nicht alles erwähnt. Klappt genauso.
„Der VfB Stuttgart hat in den letzten zehn Spielen nur eine deutliche Packung einstecken müssen.“ Klingt viel besser, als sagen zu müssen, dass der VfB neun der letzten zehn Partien mit 0:1 und die andere eben mit 0:5 verloren hat.

Bologna-Verfechter machen das ganz genauso.
Eine neue Studie belegt: Bachelor-Absolventen sind so gut wie nie arbeitslos.
Wow.
Bildungsministerium und Hochschulrektorenkonferenz jubeln, denn alles ist so toll. Noch besser: Der Anteil der Arbeitslosen unter den Bachelorstudenten ist nicht höher als der bei Diplom- oder Magisterabsolventen.

Die Sache hat nur einen Haken: Von den Bachelorabsolventen gehen auch nur 12 Prozent direkt in einen Job, rund zwei Drittel hängen den Master dran, weil sie glauben – und oftmals sogar aus eigener Erfahrung wissen –, dass sie mit dem Bachelor auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben. Und selbst wer keinen Masterplatz bekommt, legt oftmals einen längeren Auslandsaufenthalt ein, macht Praktika oder sonstige Dinge, um Zusatzqualifikationen zu sammeln. Davon sagen Bildungsministerium und Hochschulrektorenkonferenz natürlich nichts.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
„Mit dieser Studie wird den notorischen Kritikern an der Bologna-Reform der Wind aus den Segeln genommen“, jubelt Bildungsministerin Schavan.

Wenn man alle Zahlen kennt, klingt das dann ungefähr so glaubwürdig, wie wenn der Manager des VfB nach der elften Niederlage in Folge sagt: „Auch am Montag hat unser Trainer seinen Job noch.“

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Licht

Studenten geht im Mannheimer Schloss neuerdings ein Licht auf. Allein das klingt angesichts der unglaublich wissensvermittelnden Bachelorstudiengänge schon äußert unglaubwürdig. Richtig schräg wird es allerdings, wenn ich sage, dass das auch noch völlig automatisch und bisweilen willkürlich geschieht. Ok – ein Licht, dass einem völlig willkürlich aufgeht, passt dann wieder eher zum Bachelor. Aber mindestens genauso schnell folgt da auch wieder die Dunkelheit.

Foto: Freewill Photography+ (CC-by-nc-2.0)
Nicht so im Westflügel des Ehrenhofs. Bewegungssensoren erfassen im Treppenhaus jeden kleinsten Mucks und – schwups – ist das Licht an. Theoretisch zumindest.
Seit längerer Zeit beschleicht mich nämlich wie gesagt das Gefühl, dass die ganze Sache relativ willkürlich abläuft. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Fairerweise muss festgehalten werden, dass es auch durchaus sein könnte, dass der Sensor Tageszeit abhängig ist. Nur leider geht das Licht am Tag an und bleibt in der Nacht dunkel. Und wenn es nachts angeht, dann meistens zu spät. Nämlich dann, wenn ich das Treppenhaus gerade verlasse.

Willkürlich, unlogisch und viel zu spät – klingt irgendwie verdächtig nach dem Bachelor. Willkürlich scheinen die Themen die auf dem Lehrplan landen und andere, die rausfliegen. Unlogisch das ganze System, dass Erfolg an Arbeitsstunden misst. Und viel zu spät geht einem das Licht auf – nämlich meist nach der Klausur, wenn man den Stoff nach Bachelorlogik schon lange nicht mehr braucht. Diese Parallelen können nur zufällig sein.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Oder etwa nicht? Wenn nein, könnte man die Baumaßnahme sogar im Nachhinein mit Studiengebühren finanzieren – obwohl das sonst eigentlich strengstens verboten ist. Die Argumentation wäre auch klar:
Verbesserung der Lehrverhältnisse.

Wann sonst geht einem Studenten schon mal im Bachelorstudium ein Licht auf?

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Gruppendynamik

Samstag. Kurz nach halb 4. Westkurve, Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern.

Es ist schweinekalt, das Spiel ist grottenschlecht und ich stehe mir die Beine in den Bauch. Ich frage mich nicht nur, was ich hier eigentlich mache – als Frankfurt-Fan – sondern auch, wie es sein kann, dass viele junge Menschen so für Stimmung sorgen.

Foto: Der Toco (CC-by-nc-nd-2.0)
Als dann erneut lautstark gepfiffen und gebuht wird, als der gegnerische Spieler mal wieder Zeit schindet (während er mit dreifach gebrochenem Unterschenkel vom Platz getragen wird) frage ich mich: Warum klappt hier, was bei Studentenprotesten so kläglich scheitert?

Seit Bologna ist der Großteil der Studenten doch auch jung (es gibt ja keine 24.-Semester mehr) und mit dem Bachelor gibt es sogar ein Ziel, dass man noch sehr viel schöner ausbuhen und auspfeifen könnte, als den Zeitschinder. (Der übrigens gerade in den Krankenwagen verfrachtet wird.)

Warum klappt also im Stadion, was in der „realen“ Welt nicht klappt, obwohl dort nicht nur der Klassenerhalt auf dem Spiel steht sondern etwas niocht ganz Unbedeutendes wie, naja, die eigene Zukunft?

Jetzt könnte man sagen, das im Stadion sind gar keine Studenten. Stimmt so nicht. Da sind sogar sehr viele Studenten drunter, habe ich mir sagen lassen. Man könnte auch sagen, das ist ein Mannheimer Phänomen. Seit Waldhof Mannheim nicht mehr tiefer sinken kann, haben die Fußballfans unter den Studenten einfach das Pfeifen verlernt. Auch das stimmt nicht, da der gemeine Waldhoffan ohnehin schon seit Jahren heimlich nach Lautern, Karlsruhe oder Frankfurt fährt. Woran liegt es also, dass Studenten im Stadion gegen „Missstände“ protestieren auf der Straße aber nicht?

Vielleicht fehlt ja in Deutschland was Streiks betrifft einfach das, was der gemeine Fußballfan seit seiner Kindheit im Stadion erlebt – die richtige Sozialisierung.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Darum mein Vorschlag: Wir versammeln alle überarbeiteten, aber bisher tatenlosen Studenten mit Fußballhintergrund in einem Stadion. Den Bologna-Verantwortlichen ziehen wir sexy Schiedsrichtertrikots an (am besten die rosafarbenen) und zeigen dann das Ganze auf Großleinwand. Public Viewing ist ja eh grade in.

Wenn dann der Funke immer noch nicht überspringt, weiß ich auch nicht mehr weiter.