Mittwoch, 1. Dezember 2010

Weiße Schafe

Eine alte saarländische Lebensweise besagt: „Mer holles, damets net fortkummt“. Das heißt übersetzt: „Wir nehmens mit, damit es niemand klauen kann.“ Und das bedeutet: Wenn ich im Baumarkt arbeite, dann richte ich gefälligst auch mein Haus mit Baustoffen aus diesem Baumarkt aus – natürlich nach Feierabend und ohne dafür zu bezahlen. Ich arbeite ja da.
Trotzdem käme wohl niemand auf die Idee, deswegen jetzt zu sagen: „Alle Saarländer klauen“ - selbst ich als Rheinland-Pfälzer nicht.

 Ähnliches gilt für all diejenigen, die im Monat zehnmal wegen „Krankheit“ im Betrieb fehlen. Deswegen sind ja auch nicht gleich alle Arbeitnehmer  Blaumacher. Es gibt zwar schwarze Schafe...aber das sind Ausnahmen.

Bei Studenten ist das anders: da scheint es unter all den schwarzen Schafen nur ein paar weiße zu geben. Schenkt man zumindest gewissen Medien Glauben.

Nun habe ich weder was gegen schwarze Schafe, noch gegen Multikultiherden...aber: warum werden die schwarzen Schafe unter den Studenten gleich als Regel verschrien? Klar, natürlich gibt es Studenten, die nichts tun, nur das BAföG abgrasen und sich einen feuchten Dreck um ihre Zukunft kümmern – aber das sind Ausnahmen. Wieso reicht das, um von „Bachelorlüge“, „faulen Studenten“ und sonst was zu reden?

Der normale Student studiert nicht nur seine 15 bis 30 Stunden die Woche, er muss auch Sitzungen vor und nachbereiten und hat daneben noch einen Job. Denn das BAföG reicht ja hinten und vorne nicht. Dass ein Student dann ja immer noch fünf Monate Semesterferien habe, ist eine bloße Lüge. Diese „Ferien“ heißen sogar offiziell vorlesungsfreie Zeit – und sind nur für die schwarzen Schafe wirklich Ferien. Die weißen Schafe machen in dieser Zeit Praktika, um später eine Chance im Leben zu haben, oder  schreiben Hausarbeiten...oder...oder...oder…

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Nicht zu vergessen der psychische Druck: Selbst wenn der Student abends daheim auf der Couch liegt, schweben über ihm Abgabetermine, Zukunftsängste und drohende Klausuren.

Der 38-Stunden-Angestellte hat diesen Stress nicht.

Es sei denn, er nagelt abends noch die Bretter aus seinem Baumarkt daheim an die Wände.

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