Mittwoch, 26. Mai 2010

Arbeitsverweigerung

Jedes Jahr, wenn andere aufgrund der ersten wirklich heißen Sommertage Quietscheentchen und Badehose ausgraben, ist es wieder so weit: Unter den Studenten macht sich die Angst breit.

Und damit meine ich nicht diese „Hilfe da fliegt meine Wespe um Eis, dass ich mir bei 30 Grad im Schatten in schönster Faulenzerpose in den Bauch haue“-Angst – nein – der gemeine Bachelor hat ganz andere Sorgen: die Klausurenphase beginnt.

Foto: fahrradfritze (CC-by-nc-2.0)
Auswahl gefällig?
„Wie bekomme ich innerhalb von zwei Wochen den Stoff für 7 Klausuren in den Kopf gehauen?“
„Wie kriege ich mein Motivationsproblem in den Griff?“
„Und wie das Zeitproblem, sollte ich das Motivationsproblem nicht in den Griff bekommen?“
Oder aber: „Hält die Decke meiner Wohnung ein Seil, an dem 75 Kilo baumeln?“

Da, wie wir bereits hinlänglich geklärt haben, die Lernbullimie seit Bologna groß in Mode ist und Wissen allgemein überschätzt wird, hilft nur noch eins:
Auswendiglernen bis zum Verrecken.

Das wiederum geht übrigens schneller, wenn das Seil an der Decke hält. Ob man‘s glaubt oder nicht, Auswendiglernen kann sehr effektiv sein.
Problem: richtig schön in den Kopp hauen kannst du dir den Stoff erst ein paar Tage vorher, sollte wirklich am Klausurtag was übrig sein.
Ein paar Tage vor den besagten paar Tagen kann das im Vorlesungssaal dann zu der ein oder anderen skurrilen Situation führen.
Der Professor stellt eine Beispielfrage, wie sie „genau so in der Klausur dran kommen könnte“, natürlich aber so gerade nicht drankommt weil sie viel zu leicht ist. Trotzdem meldet sich niemand.

„Das haben wir doch vor zwei Wochen besprochen“, ruft der Prof verzweifelt. Jaaaaaa haben wir, aber weiß das JETZT noch jemand? Der Bachelor auf jeden Fall erst wieder NACH der Auswendiglernorgie.

Nun bekommt der Professor wiederrum Angst.
„Sind meine Lehrfähigkeiten so bescheiden?“
„Bekomme ich einen neuen Job, wenn ich rausgeschmissen wurde, weil die Klausur grottenschlecht ausgefallen ist?“
Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
„Kann ich mit Hartz IV meinen Porsche halten?“
„Die Decke in meinem 300.Quadratmeter-Penthouse hält auf jeden Fall, aber habe ich ein Seil?“

Warum dieser Stress? Ohne sieben Klausuren in fünf Tagen ginge es doch allen besser. Ausgenommen vielleicht dem Berufsstand des Seilers, der – in wirtschaftlich ohnehin mauen Zeiten – dann noch größere Absatz-Probleme hätte.

Dienstag, 4. Mai 2010

Junggeselle

Ich gebe es ja zu: die Bezeichnung „Bachelor“ für einen ersten „berufsqualifizierenden“ Abschluss ist nun wirklich ein alter Hut und nicht erst mit Bologna in die Welt gekommen. In den USA erhalten die Studenten schon seit eh und je diesen akademischen Grad.

Nie hat die Bezeichnung „Bachelor“ allerdings besser gepasst als in der europäischen Hochschullandschaft nach Bologna. „Bachelor“ heißt übersetzt nämlich nichts anderes als „Junggeselle“. Gäbe es den „Bakkelarus“ nicht schon seit dem Mittelalter, die Etymologie wäre schnell geklärt:
Zeit für soziale Kontakte? Is‘ nich. Von engeren Beziehungen wollen wir erst gar nicht sprechen.

Einsame Studenten, die sechs Semester schuften, nur um sich dann auch offiziell „Junggeselle“ nennen zu dürfen – eine echte Marktlücke, auf welche das Internet natürlich längst aufmerksam geworden ist. Partnerbörsen „für Akademiker und Singles mit Niveau“ schießen aus der Erde wie auf der anderen Rheinseite der Spargel. Für ein paar lausige hundert Euro ist man dabei und wie man sich besieht, kann man sich vor „realen“ Angeboten nicht mehr retten. Bräuchte der Student nur noch Zeit, um auch PRIVAT im Internet surfen zu können. Und den ein oder anderen locker sitzenden Cent. Beides haben gerade Studenten ja bekanntlich reichlich.

Bernie, Byzantinistik-Bachelor im dritten Fachsemester schwört allerdings auf eine ganz neue Methode, um bei den Frauen zu landen – und nein, damit meine ich nicht seine Mutter, bei der ist er nämlich schon mit 34 ausgezogen.
Sein Geheimtipp: Bachelor-Speed-Dating, nagelneu und garantiert erfolgreich. Kennen Sie noch nicht?

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Ganz einfach: Bachelor-Singles der verschiedensten Fachrichtungen werden in einen Raum gesetzt, jeweils Männlein und Weiblein gegenüber. Anschließend hat jeder 30 Sekunden Zeit, dem Gegenüber möglichst viel über seine momentane Arbeitsbelastung zu erzählen…oder vorzujammern. Das ist gar nicht so einfach, dauert doch die Aufzählung der aktuellen To-Do-Liste eines Bachelors in der Regel schon über zwei Stunden. Haben sich zwei passende Überarbeitete gefunden, können sie sich schon mal überlegen, wie sie Weihnachten zusammen verbringen – früher werden sie sowieso keine Zeit für einander haben.

Gibt es aber eine Abfuhr – auch nicht schlimm.

Das ist schließlich die beste Abhärtung für die spätere Jobsuche mit Bachelorabschluss.