Mittwoch, 24. November 2010

Realsatire

Warum soll man sich eigentlich jede Woche hinsetzen und sich irgendwelche kranken Verbindungen zwischen Alltagsphänomenen und dem Bachelor überlegen, wenn die Realität doch schon lustig genug ist. Oder traurig – je nach Ansichtsweise. Man muss sich nur mal umsehen.

Folgendes hat sich so tatsächlich an der TU Kaiserslautern abgespielt – und wird sich wahrscheinlich auch noch das ein oder andere Semester lang so abspielen:

Foto: Marius Grathwohl (CC-by-sa-2.5)
Ein Fachbereich – der genaue Fachbereich ist unwichtig, es könnte sich um jeden Fachbereich mit Bachelorstudium handeln – hat ein Büro, das einzig und allein für Prüfungsangelegenheiten zuständig ist. Ein oft gepriesener „Fortschritt“ des Bachelorstudiums in Kaiserslautern soll sein, dass Studenten nun schon Vorlesungen des Hauptstudiums in Grundstudium hören konnten (wohl wegen der Zeitknappheit).

Wer sich nun aber im Prüfungsbüro – das es eigentlich wissen müsste – anmelden will, bekommt nur ein "Nein tut uns Leid, das geht nicht" zu hören. Da es der gemeine Bachelor aber Gott sei Dank gewohnt ist, bei einem „Nein“ nicht gleich locker zu lassen, läuft er erst einmal zum Dekan. Und der kann ihm natürlich sagen, dass das mit der Anmeldung doch geht. Das Prüfungsamt – das es eigentlich hätte wissen müssen – sieht seinen Fehler ein, verlangt aber, dass die Studenten eine Vertiefungsrichtung fürs Hauptstudium angeben. Also wieder zurück zum Dekan, damit der den nötigen Wisch unterschreibt. Dann endlich ist das Prüfungsamt – das eigentlich nie etwas weiß - so gnädig, die gewünschte Klausur anzumelden.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Das wäre ja alles noch schön und gut, wüsste das Prüfungsamt anscheinend nicht doch genau eine Sache: nämlich, dass es nur an einem Tag im Semester Prüfungsanmeldungen entgegen nimmt und – es ist schließlich ein Prüfungsamt – auch an diesem einen Tag nur fünf Stunden geöffnet ist. Wenn jetzt hunderte Studenten in Schlangen vor den Türen dreier Mitarbeiter stehen und sich die Hälfte aufgrund des Dauerlaufs zwischen Dekan und Büro auch noch mehrmals anstellen muss, kann man sich ungefähr vorstellen, wie viel Zeit an diesem Tag für die Vorlesungen bleiben – am besten noch für die, für dessen Prüfung man sich eigentlich hatte anmelden wollen.

Sowas kann sich kein Mensch als Fiktion ausdenken, egal wie viele Flaschen Rotwein er intus hat. Deswegen: Danke Bologna.

Mittwoch, 10. November 2010

Herumgetriebenenbund

Es vergeht aktuell fast keine Woche, in der der Bund der Vertriebenen keine Schlagzeilen macht. Bei allen Kontroversen, ein solcher Verein hat sicherlich irgendwo auch seine Daseinsberechtigung.
Doch warum gibt es nicht auch schon längst einen Bund der Herumgetriebenen?
Der Bildungs-Herumgetriebenen.
Was das ist?
Na, ganze Jahrgänge sind davon betroffen.

Mitte der Neunziger hat man den kleinem, naiven ABC-Schützen erzählt, dass man den Fluß mit scharfem S schreibt, den Bäcker mit k-k trennt – und niemals s und t. Denn das tat den beiden angeblich weh. Doch schon im zweiten Schuljahr schienen sich s und t zu Masochisten gewandelt zu haben – denn den beiden war es auf einmal piepegal, ob sie getrennt wurden oder nicht.
Rechtschreibreform, erzählte man dem Zweitklässler, der mal schnell gerade alles wieder von vorne lernen durfte. Und noch ein paar Mal hin und her. Mit jeder Reform der Reform. Herumgetrieben halt. Zwischen trennbarer Oma – nämlich nach dem O – und untrennbarer.

Der arme, inzwischen ehemalige ABC Schütze fühlte sich wie ein Versuchskaninchen und fragte sich, wie man das mit ihm machen kann. Schließlich erzählte man doch überall, Tierversuche seien böse. Doch Greenpeace hatte gerade etwas anderes zu tun. Sich an Öltanker ketten und so.

Doch damit nicht genug. Kam das arme Kaninchen zu allem Überl auch noch aus Rheinland-Pfalz, so wurde kurz vor dem Abitur auf einmal selbiges ein halbes Jahr vorgezogen. Auf Probe. Lassen wir einfach mal ganze Jahrgänge ins Messer laufen. Und ohne nachvollziehbaren Sinn. Übrigens heute noch nicht. Greenpeace? Irgendwo im Regenwald.

Die Versuchskaninchen, die das alles überlebt haben, wurden dann mal gleich mit dem neuen Bachelor-Master-System konfrontiert. Warum auch vorangegangene oder spätere Jahrgänge belasten? Verheizen wir doch unsere Versuchskaninchengeneration!

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Und weil Greenpeace gerade irgendwelche Castor-Transporte aufhalten oder Öl-Sardinen aus von explodierten Bohrplattformen verseuchten Gewässern angeln muss, nehmen wir das Ganze doch einfach selber in die Hand.

Gründen wir den Bund der Herumgetriebenen.

Donnerstag, 4. November 2010

Statistik


„Traue nur der Statistik, die du selber gefälscht hast.“
Wenn ich etwas in fast 13 Jahren Schule gelernt habe, dann das. Und ja, liebe G8-Schüler, ich gehöre noch zu der Generation, die fast 13 Jahre in die Schule gehen durfte. Aber macht euch nix draus, dafür hattet ihr schon früher keine Freizeit mehr und der Umstieg auf den Bachelor fällt euch viel leichter.

Foto: dkpto (CC-by-2.0)
Manchmal braucht man aber eine Statistik gar nicht erst zu fälschen. Es reicht dann schon, wenn man einfach nicht alles erwähnt. Klappt genauso.
„Der VfB Stuttgart hat in den letzten zehn Spielen nur eine deutliche Packung einstecken müssen.“ Klingt viel besser, als sagen zu müssen, dass der VfB neun der letzten zehn Partien mit 0:1 und die andere eben mit 0:5 verloren hat.

Bologna-Verfechter machen das ganz genauso.
Eine neue Studie belegt: Bachelor-Absolventen sind so gut wie nie arbeitslos.
Wow.
Bildungsministerium und Hochschulrektorenkonferenz jubeln, denn alles ist so toll. Noch besser: Der Anteil der Arbeitslosen unter den Bachelorstudenten ist nicht höher als der bei Diplom- oder Magisterabsolventen.

Die Sache hat nur einen Haken: Von den Bachelorabsolventen gehen auch nur 12 Prozent direkt in einen Job, rund zwei Drittel hängen den Master dran, weil sie glauben – und oftmals sogar aus eigener Erfahrung wissen –, dass sie mit dem Bachelor auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben. Und selbst wer keinen Masterplatz bekommt, legt oftmals einen längeren Auslandsaufenthalt ein, macht Praktika oder sonstige Dinge, um Zusatzqualifikationen zu sammeln. Davon sagen Bildungsministerium und Hochschulrektorenkonferenz natürlich nichts.

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gibt es auf www.radioaktiv.org
„Mit dieser Studie wird den notorischen Kritikern an der Bologna-Reform der Wind aus den Segeln genommen“, jubelt Bildungsministerin Schavan.

Wenn man alle Zahlen kennt, klingt das dann ungefähr so glaubwürdig, wie wenn der Manager des VfB nach der elften Niederlage in Folge sagt: „Auch am Montag hat unser Trainer seinen Job noch.“