Mittwoch, 12. Januar 2011

Relikte

Immer, wenn der große Schnee vorbei ist, und ich meinen dicksten Mantel in den Schrank hänge, kommen dabei die interessantesten Dinge zum Vorschein. Denn Manteltaschen sind groß und über den Winter kann sich darin jede Menge unnützes Zeug ansammeln. Alte Kassenzettel, Überraschungseierspielzeug – und Uni-Scheine.

Foto:ndj5 (CC-by-nc-2.0)
Scheine? Ja, stimmt, die gabs ja auch mal. Relikte aus längst vergangenen Zeiten, die spätestens seit der Einführung der elektronischen Notenübermittlung der Vergangenheit angehören sollten. (Außer bei den Lehramtsstudenten. Aber die haben wahrscheinlich noch nicht gelernt, wie man Computer bedient.) Bei allen anderen Studiengängen bringen Scheine aber wie gesagt nicht mehr wirklich viel. Trotzdem werden sie immer noch gerne verteilt. Am liebsten von Philologen, habe ich mir sagen lassen. Wie viele Quadratkilometer Regenwald durch diese Zettelwirtschaft schon verloren gingen, will ich lieber gar nicht wissen

Aber das Schöne am deutschen Uni-System ist nun mal, dass man an liebgewordenen Traditionen gerne festhält – egal ob sie überhaupt noch sinnvoll sind oder nicht. „Das war schon immer so und das wird auch weiter so gemacht werden.“ Diese Aussagen stammen dann meistens auch von Relikten. Allerdings sind diese eher im menschlichen Bereich anzusiedeln.
Relikte aus Fleisch und Blut quasi.

Doch Relikte aus längst vergangenen Tagen sind nicht nur in verstaubten Uni-Hinterzimmern anzufinden, tragen eine Fliege um den Hals, ein Monokel am Auge und verlangen von Studenten, dass man sie in der zweiten Person Plural anspricht – nein, auch in den ach so modernen Naturwissenschaften findet man massig Prähistorisches. 
Und ich spreche jetzt nicht von archäologischer Biologie.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Beispiel Mathematik: In den alten Studiengängen war es Gang und Gäbe, dass eine 3.0 die bestmögliche Note war, die man erreichen konnte. Eine 4 war absolut ausreichend. Deswegen war man nicht blöd im Kopp oder so. Das ist heute immer noch so. Mit dem klitzekleinen Unterschied, dass im Bachelor diese Noten oftmals schon in die Endnote miteinfließen. Zwar nur zu zwei Prozent oder so, aber 10 Vieren à 2 Prozent läppern sich zusammen. 
Dumm gelaufen. Mal wieder.

Aber vielleicht sollte man diese Tatsache den Verantwortlichen einfach mal mitteilen. Neuigkeiten erreichen die eingestaubten Hinterzimmer von Universitäten vielleicht einfach nicht so schnell.

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