Mittwoch, 15. Juni 2011

Goethe

„Da steh‘ ich nun, ich armer Tor, / Und bin so klug als wie zuvor!“

Nein, das ist nicht etwa der Ausruf eines Bachelorabsolventen nach Abgabe seiner Abschlussarbeit – obwohl das durchaus passen könnte. Das ist Goethe. Faust. Genauer gesagt Faust I.

Foto: Elinore (GNU)
Goethe war gut. Nicht nur, weil er so toll reimen konnte. Nein, Goethe war auch richtig sozialkritisch. Auch im Faust. Da beschwert sich nämlich gleichnamiger Protagonist gleich am Anfang: „Habe nun, ach! Philosophie, / Juristerei und Medizin, / und leider auch Theologie / Durchaus studiert, mit heißem Bemühen. […] Heiße Magister, heiße Doktor gar, / Und ziehe schon an die zehen Jahr‘ / Meine Schüler an der Nase herum – / Und sehe, daß wir nichts wissen können!“ Jetzt will ich über die Lehrfähigkeiten eines Herrn Fausts genauso wie über die heutiger Dozenten gar nicht urteilen, das steht mir nicht zu – viel wichtiger ist das Grundproblem: Der Mensch lernt und lernt und lernt – und weiß doch nichts.

Wenn das mal nicht topaktueller Stoff ist. Ja, liebe Schüler, die ihr noch heute jedes Mal eure Lehrerin verflucht, wenn es im Unterricht an den Faust geht, so ist auch das echte Leben. So ist der Bachelor. Denn all die Buchgelehrtheit bringt nichts, wenn das Leben daneben zu kurz kommt, wenn keine Zeit bleibt, um in Auerbachs Keller oder auch ganz einfach nur in der Kneipe um die Ecke einen drauf zu machen und danach vom Gretchen im nächstbesten Garten aber mal sowas von…gefragt zu werden, wie man‘s denn mit der Religion hält.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Hätte der olle Faust seine Nase mal nicht nur in Bücher gesteckt, dann hätte er sich auch nicht der dunklen Chemie zuwenden müssen. Auch das – ich bin ja sowieso ein Fan der freien Interpretation – auch das kann man 1:1 auf den Bachelor übertragen: Auch der Student, der über seiner Buchgelehrtheit und dem fehlenden sozialen Leben verzweifelt, greift dann gerne mal zur Chemie. Heute sind das dann nicht mehr irgendwelche Ampullen und Zauberbücher, sondern sauberes Pulver oder lustige bunte Pillen. Und auch dem Studenten erscheint dann irgendwann der Teufel…oder Elvis…oder auch nur ein rosa Kaninchen. Und dann geht’s raus auf die Wiese, splitternackt obwohl’s, ja grad erst Frühling geworden ist – „Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein!“

Das pure Leben? Hätte man auch einfacher bekommen können. Einfach mal früher die Nase aus den Büchern nehmen. Goethe hat das schon vor über 200 Jahren gewusst.

Denn Goethe war gut.

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