Mittwoch, 18. April 2012

Hungerstreiks

Mit leuchtenden Augen und Stolz in der Stimme erzählt mein Professor, wie er als Student protestiert hat. Nein, nicht etwa als 68er – vorher. Ich würde mal tippen: viel weiter vorher. Und es ging damals laut ihm auch nicht um Demokratie, Mitbestimmung und den ganzen Kram. Es ging um viel Elementareres.
Es ging ums Essen.

„Wir haben einen Hungerstreik gemacht und sind spontan zur Verwaltung marschiert“, erzählt mein Professor. Ja klar, es sei damals „nur ums Essen“ gegangen – ja, aber es ging immerhin überhaupt um etwas!

Heute? Mal ganz davon abgesehen, dass das Essen in der Mensa heute das geringste Problem der Studenten ist und sich die meisten wohl längst damit abgefunden haben – um die Streikmoral unter Studenten steht es schlecht. Und wenn dann der Unmut doch einmal kundgetan wird, dann, naja…maximal auf Facebook.

„Boah. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Kein Bock mehr auf den scheiß Bachelor xP“, schreibt Student A – und erntet binnen Sekunden 27 „Gefällt mir“s.
„Hast Recht! Lass uns was dagegen unternehmen! *angry*“, kommentiert Student B.
„Ok. Gleich?“, fragt Student A.
„Geht nicht. Gleich kommt Grey’s Anatomy.“, antwortet Studentin C.
„>.< Morgen?“
„GNTM.“
„Hä?“
„Germany’s next Topmodel.“
„*rolleyes*”, schaltet sich nun Student D ein.
„OMG. Zu viel zu tun“, meint Student E.

Diese Folge zum Nachhören
gibt es auf
www.radioaktiv.org
Bis sich schließlich alle darauf einigen, eine doodle-Umfrage zu starten, wer wann am besten Zeit hätte zum Protest. Und nach ein paar Tagen feststellen, dass eigentlich keiner irgendwann Zeit hat. Außer am Montag um 9. Da könnten fünf. Aber nur ‘ne Stunde. Zum gemeinsamen Brunch reicht’s vielleicht.

Auch heute geht’s halt irgendwie noch immer nur ums Essen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen