Mittwoch, 16. März 2011

Lebensläufe

Die absolute Lieblingsbeschäftigung von Studenten – neben Rumjammern und Auswendiglernen, versteht sich – ist das Füllen des eigenen Lebenslaufs. Und das hat sich schon zu einer richtigen Sportart entwickelt. Je voller, desto besser. Wen wundert’s, versucht die Gesellschaft uns doch Tag für Tag einzureden, dass das genau so sein muss.

Das treibt dann zuweilen sehr skurrile Blüten: Studenten melden sich in drei bis fünf Initiativen an, für die sie natürlich eigentlich ohnehin schon keine Zeit hätten. Aufgrund der zusätzlichen Drei- bis Fünffach-Belastung aber natürlich noch viel weniger. Die Initiativen freut das natürlich riesig – den Studenten noch mehr: Denn es steht ja im Lebenslauf.
Je voller, desto besser.

Aber Mitglied in einem halben Dutzend Initiativen sein kann ja wohl jeder. Also muss man sich schon mehr einfallen lassen, um den Lebenslauf ein bisschen aufzupeppen. Seit Bologna hat man ja für Praktika bekanntlich nicht mehr so viel Zeit, aber der gemeine Student ist ja kreativ. Und wie weiß schon der Hesse: „Mir müsse nur flexibel soi, dann trinkt die Welt ach Ebbelwoi!“

Also mal nachschauen…das Pflicht-Schnupper-Praktikum damals in der 9. Klasse in der Autoschlosserei – ja, war halt grad in der Nähe. Mh…im Lebenslauf des BWL-Studenten: „Internship im Car Technology Management Sector“. Passt. Ach, und das Zeitungsaustragen? „Langjährige Tätigkeit im Bereich Medien und Journalismus.“ Na wunderbar!
Je voller, desto besser.

Diese Folge zum Nachhören 
gibt es auf www.radioaktiv.org
Und immer weiter sammelt der gemeine Student fleißig Lebenslaufzeilen, schmückt Erfahrungen aus – und sammelt weiter. Bis er dann womöglich mit 30 merkt, dass er vor lauter Lebenslauffüllen doch glatt vergessen hat, sich tatsächlich in einem Bereich ernsthaft beruflich zu orientieren.

Dann hilft womöglich nur noch die nächste Autobahnbrücke. Oder der Alkohol.
Je voller, desto besser.

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